Der erste Altusrieder Bio-Bauer Ludwig Heinle

Ludwig Heinle und seine Frau Cilli haben sich 1973 als erste Landwirte in Altusried dazu entschieden, ihren Hof auf Basis des organisch biologischen Landbaus zu betreiben. Mit der Zeit entwickelte sich Ludwig Heinle zu einem Visionär und Vorreiter der Bio-Bewegung im Allgäu. Bis vor kurzer Zeit war er noch immer auf diesem Gebiet aktiv tätig. Jetzt verleben er und seine Frau den wohlverdienten Ruhestand im "Stüble" im Dorf. Seinen schönen Bio-Bauernhof in Betzers führt der Schwiegersohn mit Familie weiter.
Ich habe Ludwig als aufrechten, ehrlichen, bescheidenen, freundlichen, aufgeschlossenen und gottesfürchtigen Menschen kennengelernt, der im Laufe seines Lebens viel Weisheit gefunden hat und ein Gespür hat, auf was es ankommt, was wesentlich ist. Sein sanftes und freundliches Wesen wird begleitet von der Fähigkeit, etwas als richtig Erkanntes dann konsequent und mit Übersicht in die Tat umzusetzen.
Für mich persönlich ist Ludwig einer der beeindruckensten Persönlichkeiten in Altusried, die ich kennenlernen durfte. Er hat in seinem Leben wesentlich mehr bewegt als manch großspurig auftretende Person. Einer der wenigen, die ich als "Großen Altusrieder" bezeichnen würde. Sein Mut, seine Art, die Idee des organisch biologischen Landbaus voranzubringen, hat bis heute großen positiven Einfluss auf unsere ganze Region. Nachdem er keine eigene Homepage betreibt, folgen anschliessend zwei von ihm selber verfasste Artikel über die Anfänge des organisch-biologischen Landbaus und Hinweise zu dessen Praxis.

Unter meiner Rubrik "Allgäu-Interviews" kann man auch ein persönlich geführtes Gespräch über dieses Thema nachlesen. >> kommt erst noch!

Ludwig und Cilli Heinle auf ihrem Hof in Betzers (ältere Aufnahme)



Organisch biologischer Landbau im Allgäu - von Ludwig Heinle -

Es war im Frühsommer 1973 als einer unserer ersten Urlaubsgäste mich beim Kunstdüngerstreuen fragte, ob ich wüsste, daß es eine andere Wirtschaftsweise auch noch gibt ausser der mit dem Kunstdünger und als er mir den biologischen Landbau erklären wollte, da winkte ich ab und sagte: Das nehme ich Ihnen nicht ab, das gibt es nicht. Schliesslich wollte ich mich als Bauer nicht von diesem Großstädter, einem Zahnarzt aus München, belehren lassen.
Aber es kam ganz anders! Dieser Zahnarzt namens Dr. Korff brachte mir Schriften und Bücher von verschiedenen Forschern und Naturwissenschaftlern. Besonders von Rudolf Steiner, Albin Seifert, Dr. Hans Müller und Dr. Hans Peter Rusch.
Im Sommer blieben diese Schriften weitgehend unberührt. Aber im Herbst und Winter 1973/1974 wurde alles gelesen und überdacht. Mit der biologisch-dynamischen Methode von Rudolf Steiner konnte ich mich nicht anfreunden. Es war mir zu undurchsichtig, zu arbeitsaufwendig und nicht wirklich naturgemäß. Zum Beispiel: "Die Natur macht keinen Komposthaufen."
Dagegen die Ausführungen von Dr. H. Müller und Dr. H.P. Rusch über den organisch biologischen Landbau, die auch weitgehend mit Aussagen von Albrecht Thear, Franz von Sekera, Sir Hovard, Virtauen, Justus von Liebig, um nur ganz wenige zu nennen, untermauert waren, gingen mir sofort unter die Haut.

Dr. H. Müller, der Biologie studiert hatte, und im Schweizerischen Nationalrat saß, seine Frau Maria Müller, auch Doktorin der Biologie und er deutsche Arzt Dr. H.P. Rusch konnten den org. biol. Landbau so einfach und praktisch erklären, daß ich eines Tages im Frühjahr 1974 zu meiner Frau sagte: "Wenn das stimmt, was die schreiben - und ich kann mir nicht vorstellen, daß diese Leute so lügen - dann wäre das die Masche!"
Der Ampfer wird weniger, die Zahl der Pflanzenarten nimmt zu, die Tiere sind gesünder, die Kühe werden älter, können länger genutzt werden. Man braucht keinen Kunstdünger, keine Chemie und kein Kraftfutter. Man muss nur Einiges anders machen, also umstellen und besonders umdenken.
Im Übrigen deckte sich die Weltanschauung und der Glaube an die Allmacht und Allweisheit des Schöpfer-Gottes ganz mit meiner Weltanschauung. So entschlossen wir uns im Frühjahr 1974 als auch noch der Kunstdüngerpreis, nach der ersten Ölkrise, sprunghaft anstieg, zur Umstellung.
Es wurde kein Kunstdünger bestellt, beziehungsweise gekauft. Der Mist wurde flach gelagert und öfter ausgebracht und ganz dünn, als Mistschleier verteilt. Eine primitive Güllebelüftung wurde gebaut. Kraftfutter wurde umgestellt auf Getreide und im Sommer ganz weggelassen. Zum Anfang wussten wir nicht, wo wir Urgesteinsmehl herbekommen können, das war sehr nachteilig!
Durch manchmal recht komische Zufälle erfuhren wir bald, daß es im Allgäu noch ein paar "Umsteller" gibt. Mit diesen nahmen wir Kontakt auf und trafen uns in unregelmäßigen Abständen zum Erfahrungsaustausch. Da erfuhren wir auch, woher wir Basaltmehl bekommen können. Als wir das erste Mal Basaltmehl streuten, entwickelte sich das Wachstum und der Pflanzenbestand sofort auffallend positiv.
Gemeinsam mit den anderen "Umstellern" besuchte ich dann ein paar Jahre die Fortbildungstage der 1972 gegründeten "Fördergemeinschaft für organisch biologischen Land- und Gartenbau" (heute Bioland) bei deren Vorsitzenden Alfred colsmann in Hergetswiesen.
Von Alfred Colsmann, seiner Frau und seinen Freunden haben wir unglaublich viel gelernt! Wir wurden auch alle Mitglied der Fördergemeinschaft.
Alle bestellten auch die von Dr. Hans Müller herausgegebene Vierteljahresschrift "Kultur und Politik". Durch die positiven Erfahrungen auf unseren Höfen und das neu erworbene Wissen brach das konventionell landwirtschaftliche Kartenhaus total zusammen. Wir erfuhren, daß Vieles, was uns als wissenschaftlich erkärt wurde, und was wir auch glaubten, so nicht stimmte. Das ganze chemisch-mineralische Stoffdenken konnten wir vergessen. Nie mehr habe ich mich mit dem Nährstoffdenken befasst. Nur um das Bodenleben habe ich mich gekümmert.
Wir spürten, wir sind absolut unabhängig: wir brauchen keine Zulieferindustrie und keine Wissenschaft. Ein wunderbares Gefühl für uns Bauern! Auf unserem Hof lief es recht gut, wir merkten, daß wir mehr erwirtschafteten, damals noch ganz ohne Bio-Zuschlag.
Unsere Ernährung war seit 1975/76 auch umgestellt. Es gibt seither Vollkornbrot und Frischkornmüsli, sowie viel Obst und Salate. Brotgetreide und Kartoffeln kauften wir bei einem Biobauer im Ostallgäu.
Mittlerweile war auch der Milchaustauscher für die Kälber gestrichen, seither bekommen unsere Kälber wieder Vollmilch wie von der Natur vorgesehen. Getreide für Kühe wurde immer weiter reduziert, bis es dann etwa 1982 ganz abgesetzt wurde. Seither bekommen unsere Tiere nur, was auf unseren Wiesen wächst: Gras, Heu und Grummet, auch keine Silage.
Unsere Nachbarn verfolgten unsere Umstellung recht aufmerksam und fragten auch immer wieder nach. Im Winter 1976/77 habe ich alle Nachbarn, die zu unserer Sennereigenossenschaft gehörten, eingeladen und ihnen alles erzählt, was ich bis dato vom biologischen Landbau wusste.
Ein paar Tage nach dieser Versammlung kamen bereits vier Nachbarn und wollten wissen, woher ich das Basaltmehl beziehe. Diese vier stellten auch im folgenden Jahr um. Zu uns fünf kam noch ein Kollege dazu, der sich auch schon ein paar Jahre mit biologischem Landbau befasste.
Die ganze Entwicklung wurde allgemein bekannt, wir machten aus der Sache kein Geheimnis.
Meine damlige Tätigkeit in verschiedenen Ehrenämtern macht es unseren Gegnern nicht leicht.
Zu den Leuten im Landwirtschaftsamt hatte ich als Obmann stets ein gutes Verhältnis, obwohl sie, ausser Ernst Wirthensohn, den biologischen Landbau skeptisch beobachteten. Ernst Wirthensohn quittierte den Staatsdienst und unterstützte massgeblich die Verbreitung des biologischen Landbaus im Allgäu. Er besuchte uns wiederholt und unsere Pflanzenbestände sprachen für sich!
Verschiedene Organisationen, Parteien, Bauernverband, BUND, Landw. Fachschulen luden mich zu Vorträgen ein. Im Allgäu und angrenzenden Württemberg war ich in über fünfzig Orten, in manchen zwei mal.
Die Zweifler und Neugierigen lud ich immer zu Hofbesichtigungen ein. So kamen im laufe der Zeit einige Hundert - vielleicht sogar tausend Bäuerinnen und Bauern und Fachschüler und Studenten auf unseren Hof. Die Zahl der Biobauern nahm zu.
Die Bioland-Gruppe war auf 10 Mitglieder gewachsen. Ab 1980 trafen wir uns regelmäßig alle zwei Monate zum Bioland Stammtisch. Im Winter 1986/87 wurden die ersten konkreten Gespräche geführt mit Vorstand und Geschäftsführer Xaver Vetter und Xaver Mair vom Allgäuer Emmentalerwerk wegen einer seperaten Erfassung und Verarbeitung unserer Bio-Milch.
Nach mehreren Gesprächen und Erarbeitung einer Satzung wurde die Bio-Milch von 10 silofreien Höfen am 15. Mai 1987 das erste Mal separat erfasst und als Rohmilch verkäst. Es gab wiederholt Qualitätsprobleme und Schwierigkeiten bei der Vermarktung.
Aber am 13. Juli 1988 gründeten wir, nach dem uns keine einschlägige bäuerliche Organisation helfen wollte, unter Federführung des Notars Dr. Hans Huber in Ottobeuren unsere Bio-Hof GbR Altusried. Ludwig Heinle, Altusried, 04.August 2002




Der hofeigene Dünger und das Nährstoffdenken - ein Aufsatz von Ludwig Heinle

Immer wieder wird in Vorträgen und Aufsätzen in der Fachpresse, auch in unserem Verbundsorgan über unsere hofeigenen Dünger gesprochen und geschrieben.
Wir hören und lesen dann von Nährstoffen, besonders von Stickstoff. Wir hören, daß sich durch Belüften von Gülle oder Zugabe von Urgesteinsmehl nichts oder nur wenig ändert. Oder verfaulte Gülle enthält die gleiche Stickstoffmenge wie frische oder belüftete Gülle.
Solche und ähnliche Aussagen, die vielleicht richtig sind, entspringen einem chemisch-mineralischen Stoffdenken und bringen uns dem biologischen, also lebens-biologischen Denken nicht näher. Biobauern können dieses chem. mineralische Stoffdenken vergessen! Dr. H.P. Rusch sagt: "Wahrscheinlich ist der Stickstoff gar nicht so wichtig wie angenommen wird." Unsere Sorge gilt dem Boden, dem Bodenleben. Nur wenn wir das begreifen und danach handeln, können wir als Biobauern bestehen. Ansonsten werden wir wieder in das chemisch-mineralische Stoffdenken zurückfallen und viele "Gescheite Leute" werden uns, wie schon gehabt, wieder sagen, was wir für "gesundes, gutes Wachstum" alles zukaufen müssen!
Mir ist das sehr ernst und es geht nicht um Rechthaberei, sondern um die Zukunft, den Weiterbestand des biologischen Landbaus.
Nun will ich versuchen, auf einige wichtige Faktoren im organisch biologischen Landbau hinzuweisen. Es geht hier ganz wesentlich um den Boden, das Bodenleben und die hofeigenen Dünger.
Wenn wir also meinen, wir könnten dem Bodenleben sein Futter einfach so geben, wie es am leichtesten geht, nämlich Gülle lange unkontrolliert aufbewahren in einer großen Grube oder Mist stapeln auf hohen, ungeordneten Haufen, dann sind wir auf dem Holzweg.
Das Bodendenken will nämlich - genauso wie wir - kein verfaultes, stinkiges und giftiges Futter. Sondern ein Futter, das möglichst so ist, wie es die Natur vorgesehen hat und auch vorgibt. In der Natur gibt es ohne unser Zutun keine Misthaufen und keine Güllegruben! Sondern alles, was anfällt, also Fäkalien, absterbende Pflanzen, Pflanzenteile, Stroh, Laub usw. wird jeweils, wo es anfällt, verteilt, abgebaut, gefressen, verarbeitet und so umgesetzt in Pflanzennahrung. Da verfault nichts. Verfaulen heißt gären, sich umsetzen unter Luftabschluss. Dabei entstehen giftige Sstoffe, die das Bodenleben schädigen. Und natürlich auch die bekannten Nährstoffe in direkt aufnehmbarer Form. Wenn das Bodenleben geschädigt wird, gibt es seine Leiden an die Pflanzen weiter und die Pflanze an das Tier und an den Menschen. Anders ausgedrückt: Ein schlecht behandelter organischer Dünger kann grundsätzlich auf Dauer bei Mensch und Tier Krankheiten auslösen. Das heißt, es kann einen gesunden Kreislauf nie entstehen lassen!
Im Boden sind Klein- und Kleinstlebewesen am Werk, die nur frisches oder angerottetes Material verarbeiten und verwerten können. Das sind die guten, die wertvollen gesundheits fördernden Bodenbewohner. Wenn wir stinkiges, verfaultes Material dem Boden geben, dann müssen andere, fäulnisabbauende, krankheitsfördernde Bodenlebewesen ans Werk gehen und sich vermehren, während die Guten abnehmen müssen an der Zahl.
Dr. Rusch hat festgestellt, daß es für die Gesundheit von Mensch und Tier ganz wesentlich ist, daß die guten, Gesundheit fördernden Bakterien im Boden in der Überzahl sind. Das kann eben nur sein, wenn unsere hofeigenen Dünger in Ordnung sind.
Dr. Rusch hat in seinem Bodentest ja auch die Bodenbakterien in gute, weniger gute und schlechte eingeteilt. Man hat sie gezählt und so die Bodengesundheit festgestellt.
Güllebetriebe haben das Optimum nur selten erreicht! Deshalb auch die Empfehlung: Gülle möglichst nur auf trockene Böden. Und auf feuchte Böden nur geringe Mengen ausbringen, damit keine Gülle in die kleinen Bodenkanäle einfliessen und das Bodenleben schädigen kann. Gülle muß auf dem Boden bleiben und so von Sonne, Wind und Regen sowie Pilzen verzehrgerecht gemacht werden für das Bodenleben.
Natürlich weiss jeder von uns, daß es gar nicht leicht ist, den Bestzustand zu erreichen!
Dr. Rusch sagt auch: "Man wird nicht immer das Optimale erreichen, aber man sollte wenigstens wissen, wie es sein sollte, dann wird man es schon anstreben. " Umstellen ist eben mehr, als nur Kunstdünger und Chemie weglassen!
Übrigends war es auf der Welt schon immer so, daß man sich für das Gute und Richtige mehr anstrengen muß, als für das Schlechtere und Falsche.
Das heißt: wir müssen uns immer wieder fragen, sind wir, bin ich auf dem richtigen Weg oder könnte ich da oder dort noch etwas verbessern ?
Das gilt besonders, wenn wir mit dem Pflanzenbestand oder mit der Gesundheit unserer Tiere nicht zufrieden sind. Wir werden als Biobauern nie fertig mit unserem Bemühen für das Richtige. Aber, wenn wir das Richtige tun, wird es genauso Gewohnheit wie vorher das Falsche.
Bei all unserem Bemühen um unsere organischen Dünger dürfen wir den mineralischen Bereich nicht vergessen. Das heißt: Ständig, am besten täglich zu Mist und Gülle Urgesteinsmehl geben oder regelmäßig streuen, möglichst vor dem Güllen. Kalk bei Bedarf, jedoch nur geringe Mengen. Dr. Müller sagt: "Öfter wenig ist besser, als einmal viel." Das gilt für organische Dünger genauso. Hier sei noch daran erinnert, daß der Biobauer seine Gülle täglich rühren und belüften sollte, um die Fäulnis zu bremsen, wenn nicht andere gleichwertige Maßnahmen zur Verfügung stehen. Eine Ausbringung alle paar Tage ist ja praktisch nicht möglich.
Festmist sollte immer flach, nur etwa kniehoch gelagert werden, um Fäulnis und Erwärmung zu verhindern und möglichst bald als "Mistschleier" ausgebracht werden.
Dr. Müller sagt: "Ihr müsst aerobe Zustände schaffen." Zum Abschluss nochmal ein Zitat von Dr. H.P. Rusch: "Für die Anwendung aller organischer Dünger, die der Humuswirtschaft zur Verfügung stehen, sind zwei Grundsätze maßgebend, die sich im Laufe unserer Arbeiten als fundamental wichtig erwiesen haben. 1. Das Übertragen der vollen biologischen Leistung eines Düngers auf den Boden ist nur dann möglich, wenn der Dünger nach seinem natürlichen Anfall so bald und so frisch wie möglich AUF den Boden gebracht wird (Wachstumskraft von Mist und Gülle nimmt bei längerer Lagerung stetig ab).
2. Frischer organischer Dünger darf jedoch NICHT IN den Boden gelangen oder eingearbeitet werden, auch nicht nach längerer Lagerung im Winter.

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