Burg Ratzenried




(Quelle: Berthold Büchele, Stätten der Herrschaft und Macht, Thorbecke Ostfildern 2013, S. 74-84 - ein hervorragendes Buch; vielen Dank dafür!)

Der aus einer Moräne vorspringende Bergsporn war vielleicht schon in vorge-
schichtlicher Zeit als Befestigung benutzt worden und wie geschaffen zur
Anlage einer Höhenburg. Wie die erste hochmittelalterliche Burganlage ausge-
sehen hat, ist unbekannt. Vermutlich war an der höchsten Stelle mit der Errichtung
einer Turmhügelburg begonnen worden. Über spätere Um- und Zubauten weiß man nichts
Genaues.

Geschichtliche Infos:
Ein Bericht von 1515 versuchte den Ursprung von Burg und Herrschaft Ratzenried
aus großem zeitlichem Abstand so zu erklären: Zu Ratzenried ist länger, denn
jemands davon weiss zu reden, allwegen ein Schloss gestanden...und sind vor Zitten
Edellüt drauff gesessen, die gehaissen haben die von Ratzenried. Das Schloss ist
Lehen von St. Gallen.
Tatsächlich entstanden Burg und Herrschaft Ratzenried so wie viele andere im Allgäu:
das Kloster St. Gallen beauftragte im 12. Jahrhundert unfreie und freie Männer als
Ministerialen mit der Verwaltung ihrer entfernt liegenden und bedrohten Klostergüter.
Mit Conrad von Ratzenried wird diese Ministerialenfamilie um 1150 jedenfalls erstmal
erwähnt. Der Anlass für die Erbauung der Burg war vermutlich derselbe wie 1123 bei
der Burg Prassberg. Burg und Ministeriale hatten den Besitz des Klosters in dieser
Region zu sichern und die Abgaben der sanktgallischen Höfe einzuziehen. Die Herren
von Ratzenried hatten dabei die Gurnd- , Leib- und Niedergerichtsherrschaft über ca.
30 St. Galler Höfe in und um Ratzenried samt der Eggenmühle (Mülli hinderen Eggen).
Die Herren von Ratzenried starben um 1280 im Mannesstamm aus.

Auf sie folgten durch Erbschaft, Heirat, Kauf oder Verpfändung andere Ministerialen:
Ludwig der Esel (1335), die Familien Unrain und Raper (bis 1350), von Molbrechtshausen,
von Steegen (1369), die Sürgen (1380), von Prassberg (1395), von Königsegg (1400), die
Stüdlin (1419), von Hirnheim (1423). Auch unter diesen Herren dürfte die Burg mehrfach
umgebaut worden sein.
Nachdem Jos Humpis, Bürgermeister von Ravensburg und Mitinhaber der Großen Ravensburger
Handelsgesellschaft, 1453 das sanktgallische Lehen Burg und Herrschaft Ratzenried um 5.800
Gulden erworben hatte, zog er nunächst nicht auf die vielleicht zu enge und baufällige Burg,
sondern blieb vorerst bei Ämtern und Geschäften in Ravensburg.
Sein Sohn Jos Humpis, erlangte 1495 vom Kaiser die Hochgerichtsbarkeit, teilte 1498 zu-
sammen mit seinem Bruder Jacob das sanktgallische Lehen und wurde um 1513 vom Kaiser in den
Adelsstand erhoben. Seither ließ er den Namen Hundbiß fahren und nannte sich nur noch von
Ratzenried. In das Humpiswappen integrierte er denn auch die Sonne, das Wappen des alten
Ratzenrieder Geschlechts. Um 1500 ließ er das Schloss Ratzenried mit Grund und Boden mitsamt
dem Vorhof von neuem erbauen. Wenn man die Kaufsumme von 1453 für die Burg und Herrschaft mit
der doppelt so hohen Renovierungssumme von 11.000 Gulden vergleicht, wird klar, wie wichtig
den Humpis diese Umbau und wie grundlegend die Modernisierung und Vergrößerung gewesen sein
muss. Dadurch blieb von der alten Bausubstanz kaum mehr etwas übrig, ausser eben dem Palas,
der aber unmodern war. Seit diesem Umbau war Burg Ratzenried mit einem Areal von 225m x 75m
nach Baumann die größte Dienstmannenburg des Allgäus und sicher eine der größten Burganlagen
Oberschwabens.
Genaugenommen hatte sie freilich den Architekturrahmen einer typischen mittelalterlichen Burg
verlassen und Elemente des damals aufkommenden Schloss- und Festungsbaus aufgenommen.

Trotz der gewaltigen Burganlage muss man sich im Klaren sein, dass die militärische Bedeutung
auch der Burg Ratzenried relativ gering war. Erfindung und Einsatz von Pulvergeschützen seit
dem 14. Jahrhundert hatte die mittelalterlichen Burgen immer verwundbarer gemacht, zumal
kleine Herrschaften wie Ratzenried nur wenige Soldknechte hatten.

Welche Umbauten zwischen 1500 und 1632 erfolgt sind, ist unbekannt, da die herrschaftlichen
Rechnungsbücher sehr lückenhaft sind. Sicher ist, dass Wolfgang von Ratzenried, der letzte Be-
sitzer des Oberen Schlosses, sich oft in seinem Schloss in Effrizweiler aufhielt, vielleicht, weil
das Ratzenrieder Schloss nicht mehr seinen Wohnbedürfnissen entsprach.

Den Freiherren von Ratzenried gelang es im 16. und 17. Jahrhundert durch Gütertausch mit den an-
grenzenden Herrschaften ein geschlossenes kleines Territorium aufzubauen, in dem sie die Niedere
und Hohe Gerichtsbarkeit besaßen, wodurch Gerichts-, Landes-, Grund-, Leib- und Kirchenherrschaft
zu einer Einheit verschmolzen. Zwei Mühlen, zwei Tavernen, eine Schmiede und andere Betriebe
zahlten "Gewebesteuer" und an der Argenbrücke wurde der Zoll eingezogen. Die Herrschaft baute um
1600 ein Leprosorium und eine Schule und übernahm damit auch hier staatliche Aufgaben.

Der 30jährige Krieg brachte das Ende der gewaltigen Burganlage: am 08. Mai 1632 wüteten die Schweden
in Ratzenried und zerstörten nicht nur fast alle Häuser des Dorfes, die Kirche und den Pfarrhof,
sondern auch das Obere Schloss. Wie prächtig dieses und wie verheerend die Zerstörung gewesen sein
muss, zeigt ein Brief Wolfgang von Ratzenrieds an den Kaiser, in dem er - vielleicht ein wenig
übertreibend - schrieb, es sei am Schloss ein Schaden von 80.000 Gulden entstanden.
1647 starb dann die Oberschlosslinie aus, weshalb das Schloss nie mehr aufgebaut wurde.

In den kommenden Jahrzehnten und Jahrhunderten bedienten sich die Ratzenrieder der Ruine als Stein-
bruch; trotzdem heißt es noch 1841 in der OAB Wangen, die Ruine Ratzenried gehöre zu den größten
und sehenswürdigsten Ruinen im Land. Noch 1870 ließ der Graf von Beroldingen den Torturm der Vor-
burg abtragen, um auf seinem Sockel eine Gruftkapelle zu erbauen. Schätzungsweise sind heute nur
noch 20-30% des ursprünglichen Mauerwerks vorhanden.
Der Heimatverein Ratzenried hat es sich seit seiner Gründung im Jahre 1983 zur Aufgabe gesetzt, die
verbleibenden Mauern zu sanieren und die Nachwelt daran zu erinnern, daß die Burg Ratzenried eine
der größten Burgen des Allgäus war.


Die Burg ist in folgender Tour zu finden:

Ratzenried-Runde















































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