Ehrliche Gedanken über den Tod 08.11.90



Der Tod ist wie wenn ich in den Bergen über eine Felsspalte springen muss. Ich weiss, es sind bereits viele vor mir gesprungen und nach mir werden noch viele kommen, die springen werden, aber jetzt, jetzt bin ich an der Reihe, ich allein und da sieht es ganz anders aus.
Die, die schon drüben sind, sagen: wir haben es geschafft, du wirst auch kommen. Aber das nützt mir in diesem Moment nichts, denn jetzt bin ich ganz alleine dran. Jetzt ist meine Stunde, jetzt. Nichts und Niemand ist anderer als ich ist jetzt dran.
Oder der Tod ist wie eine mündliche Prüfung. Es sind alle Schulkameraden, alle Lehrer weit weg. Jetzt werde ich gefragt, ich allein. Nichts interessiert in diesem Moment, als meine Antwort. Was danach kommt, was davor war, ist jetzt nicht wichtig.
Vielleicht werde ich zur Welt, zu den Bergen, dem See, dem Baum sagen, jetzt steht ihr in Zukunft alleine da, ohne mich, euren Freund. Ihr werdet auch noch weiterhin da stehen, jedoch ohne mich. Ich werde dich jetzt verlassen, Welt.
Doch kann ich mir auch vorstellen, satt und müde vom Leben hier Abschied zu nehmen. Dies kann die Zeit sein, um von Frau, Kindern, Freunden und allem, was mir lieb und wertvoll geworden ist, Abschied zu nehmen. Wie wird es sein, zu sagen, ich gehe jetzt von euch, für immer, unsere Beziehungen hören auf. Ihr seid jetzt nicht mehr wichtig, denn den vor mir liegenden Weg gehe ich jetzt völlig allein, keiner von euch geht mit mir und ich bleibe nicht bei euch. Ist dies überhaupt vorstellbar ?
Alles hinter sich zu lassen, zu erkennen, zu leben zählt jetzt nicht mehr, dies alles verlasse ich jetzt. Es gibt nur noch mich und den Tod. Es wird alles ganz, ganz anders sein, so kurz davor, so anders wirklich, wie ich es mir jetzt nicht vorstellen kann.
Meine letzten Zweifel werde ich Jesus geben müssen. Dann zu sagen "Ich glaube", wird etwas völlig anderes sein, als im Kreis der Gemeide es zu sagen. Dann kommt es unweigerlich auf, ob alles wahr ist, auf das ich mein Leben gebaut habe, ein letztes Fragen, letzter, tiefer Zweifel, letzte tiefe Angst. Mir wird dann klar, dass ich mein Leben lang ungläubig war, nicht mit der Realität und der Wahrheit Jesu wirklich lebte. Sind Zweifel, Angst, Unglaube kurz vor dem Ende am grössten ?
Es wird meine Stunde sein. Wenn Jesus dann da ist, ist es sehr gut, wenn nicht, dann ist es nicht mehr wichtig. Denn es wird meine Stunde sein und ich werde nichts mehr ändern können, nichts mehr aufhalten können, mir nichts mehr aussuchen können.
Es wird ein Abschied in Hoffnung, jetzt noch unvorstellbar, sein. Ich muss sagen, im Moment habe ich noch Angst davor.