Die kleine Straße nach Erbonne
Eine tapfere, kleine Straße schlängelt sich am Berghang entlang, weit nach hinten, nach Erbonne.
Dort endet sie und die Welt mit ihr.
Es ist so still unterwegs; ich bilde mir ein, die Schmetterlinge am Straßenrand lachen und tanzen
zu hören.
Mildes Sonnenlicht streut helle Flecken in den düsteren Bergwald, der sich neben der Straße steil
in wilde, unbekannte Schluchten hinabzieht.
Auf dieser stillen und sonnigen Straße gehe ich ganz behutsam auf Erbonne zu.
Es ist so friedlich, so besonders ruhig, dass ich bewußt langsam schlendere. Ich will gar nicht ankommen,
so schön ist die Wanderung jetzt für mich. Auf einmal kann ich alles vergessen, was mich bedrückt.
Meine Sorgen sind verborgen, weit hinten im Kopf, dort, wo sie nicht mehr stören und keine Schmerzen
mehr verursachen.
Die Sonne lasse ich auf mich scheinen, die Schmetterlinge lasse ich lautlos tanzen, treiben lasse ich
mich in diesen tiefen Frieden hinein, in der mir so liebgewonnenen Stille.
Zu lange vergessen waren solche Momente.
Der Wald öffnet sich und lässt einen Ausblick in das Valle Muggio zu. Steiler Bergwald, steile Grashänge
ziehen sich hinaus in den milchigen Dunst der Po-Ebene.
Himmel und Erde vermischen sich dort draussen.
In die Weite blicken, wo in den Wolken alles verschwimmt, erzeugt ein Gefühl von Ewigkeit, Endlosigkeit.
Manchmal denkt man sich, die schlechten Zeiten dauern ewig, der Schmerz ist endlos, aber es täuscht, es
ist nicht wahr.
Für all diese Dinge wird es ein Ende geben, vielleicht schon morgen, keiner weiß es.
Es wird so sein, es muss so sein.
Nach der Kurve führt die Straße in den Bergwald hinein, um bald darauf bereits wieder herauszukommen und
den ersten, jungfräulichen Blick auf Erbonne freizugeben. Dort stehen sie, die Häuser, angeschmiegt an
den Hang. Ganz hinten, klein und ein wenig versteckt, blinzelt die Kirche hervor. Dort hinten ist auch die
Brücke, die über die Grenze führt, in die Schweiz, wo alles noch in Ordnung ist.
Und vorne, bei den ersten Häusern befindet sich die Gastwirtschaft: eine kleine Osteria der Stille und ein
verträumtes Refugium der Gemütlichkeit unter Glyzinienlaub. Schöner kann es kaum sein, weit weg von der
hektischen Welt, von verlorenen Tagen.
So gehe ich auf Erbonne zu, völlig ohne Eile; hier gibt es keine Eile.
Die kleine Straße findet im Ort ihr Ende, aber weiter hinten, bei der Kirche da führt ein schmaler Bergpfad
hinab zum ausgetrockneten Bach, da wo noch ein paar Geißen auf der Weide stehen, da wo Stille zu Hause ist
und von dort aus lautlos hinauf in das Dorf kriecht. Der Pfad drängt dann weiter in den Wald hinein und
hinaf zur Alpe Orimento.
Aber so weit will ich heute nicht gehen.
Mein Ziel ist die Straße und die endet in Erbonne, dort kehre ich ein.
So ist die Beschreibung in meinem Dialekt:
Die klei Stroß auf Erbonne
A tapfre, kleine Stroß schlänglet sich gmietlich am Berghang hintre auf Erbonne zue. Do det goht se aus,
die Stroß und d Wealt glei mit r.
Es isch so oige still unterweags, dass i mir eibildt, i dät d Schmetterling am Roi da lache ond danze here.
Sonneliacht strait ganz mild healle Fleacke nei in de duschtre Bergwald. Der zieht sich neabe dr Stroß steil
ond wild in fremde Tobel na.
Auf der stille, sonnige Stroß gang i ganz hofele auf Erbonne zue. Es isch so friedlich, so riebig, dass i ganz
bsonders aufmerksam ond langsam gang. I will nämlich gar it akomme, so sche isch der Gang iatz. Do ka i zmol
alls vergeasse was mi druckt. Meine Sorga sind fut, weit drhind im Grind, do, wo se numma störet ond numma
weh dond.
I lass d Sonne auf mi scheine, lass d Schmetterling lautlos danze ond lass mi treibe in deam tiefe Friede,
der mi wie a Wasser trait. So a Stille, die ma i.
Sette Zeita ha i vorher scho lang vergeasse.
De Wald macht a Lucke frei ond loht an Ausblick aufs Valle Muggio zue. A steilar Beargwald, steile Gräshäng
ziehnet sich naus in de Dunscht vo dr Po-Ebene. So in d Weite luege, wo in de Himmelswolka alls verschwimmt,
geit a Gfühl vo Ewigkoit, vo Endlosigkoit. Iamol denk i ja, die mindre Zeita dauret ewig ond de Wehdag isch
endlos, aber des deischt, des isch it so.
Für all die Sacha wiads a End gea, vielleicht scho morge, des woiß koinar.
Noch dr Kurve goht des Strässle in de Wald nei ond bald drnoch kut se meh raus ond geit de escht, frisch
Blick auf Erbonne her. Do standet se, die Häuser, neiduckt am Berghang. Ganz hinda, klei ond a bitzle
versteckt: d Kieche. Det hinda isch au die Bruck, die über d Grenz goht, in d Schweiz, dona, wo no alls
in Ordnung isch.
Ond voana, bei de eschte Häuser isch die nett Wiatschaft, ma hoisst do Osteria, a kleine Wealt vo Stille
ond Gmietlichkoit unter de Blätter vo de Glyzinia. Schöner ka es kaum sei, weit weg vo dr hektische Wealt,
vo verlorene Däg.
So gang i auf Erbonne zue, es pressiert überhaupt it, do hinda am Berg, do pressiert nix. De Grind vollar
Bilder vo iatz ond vo friehner, vo deam wunderschene Land, vo der Sehnsucht noch Friede ond Zfriedehoit.
Die klei Stroß findet im Ort ihr End, aber hinda, bei dr Kieche, do goht a schmalar Beargpfad na zum
ausdricknete Bach, do wo no a paar Goißa auf dr Woid standet, do wo Stille drhoi isch ond naufweats ins
Dorf kreiset.
De Pfad druckt dann weiter drhind nei in Wald ond nauf zur Alpe Orimento.
Aber so weit will i heit it.
Mei Ziel isch die Stroß ond die hert in Erbonne auf. Do kher i ei.