Allgäuer Philosophe-Däg - S Leabe isch a Kiebl Wasser
Kennet ihr die Allgäuer Philosophe-Däg ? Noi ? Ja dann loset mole zue:
Wie s gau alle inna sei wearet, hauset dr Schorsch in am alte Höfle, weit dussa vom Fleacke, wo no ittamole die buntgscheackete Hightech-Joggar bis zum heitige
Dag nakomme sind, also erbar weit dussa.
Setta Einödhöfla hot s Friehner, well i no klei gweah bi, an Haufe geabe. Huitzedag geit s die scho allat no, aber in de wenigschte wohnet no die Leit, die Friehner
die Höfla umtriebe hand. Entweder kheret se reiche Stuttgartar, die blos am Wochenende kommet (des sind dann moischtens richtige kleine Paläscht mit Alarmanlaga ond
allem Luxus) oder die Höfla sind alle voll ausbaut, wo dann meh Partia dinnawohnet. Wo do Friehner d Küeh beim Schtallfenschter nausglueget hand, lueget iatz Leit
raus oder standet Computar rum. So oder so: die Einödhöf hand des verlore, was se Friehner gweah sind.
Drum isch dr Schorsch Friehner do Dussa nix Bsonders gweah, huitzedag aber scho. Der hot nämlich no seine Schumpe im Stall ond a Heu im Heustock ond auf m Denne no an
Haufe Schpinnewetta, so wie sich s ghert.
An am milde Sommerobend kut dr Kare mit m Rad beim Schorsch vorbei. Des tuet ar reacht gean, well ar, wenn ar mit seinar Tour beim Schorsch akomme isch, dann de Rauhe
Schtoi ond de Buckel vo Dezion nauf scho hinter sich hot. Als Belohnung für die Anschtrengung geits dann beim Schorsch, sei m alte Freind, natürle a Export oder au meh.
De Schorsch hocket auf m Villebänkle vor m Haus ond sinniert, wenn dr Kare mit m Rad ums Hauseck kut.
"Griess di Kare." - "Servus Schorsch!" Dann hockt sich dr Kare zum Schorsch na ond boide lueget gmietlich zum Fischweihar vom Nachbaure na. "Grad guet, daß du kusch, Kare,
du kinnscht mr gschwind was helfe." - "Ja, gean" sait dr Kare, "was soll i denn do ?" Dr Schorsch zoiget zum Brunne neabedet. "Mach mer doch grad an Kiebl Wasser so halbe
voll ond schütt n in de Brunne nei." Dr Kare duet m dean Gfalle ond dr Schorsch lueget m interessiert zue. "Hm," moint dr Schorsch, "des war scho asat odele, aber iatz
schütt dean Kiebl doch mole no woilener aus."
De Kare duet m au dean Gfalle. "Aha," sait dr Schorsch zfriede, "ond iatz amole ganz hofele, so hofele wies no goht." Wenn der Kiebl denn langsam au leer wore isch, sinniert
de Schorsch vor sich na: "Ja, ja, grad so isches. Komm Kare, no amole: schütt de Kiebl no ganz gwehnlich in de Brunne nei." - "Aber dann isch Feierobend, gell!" De Kare
hot gau d Näs voll ond vor allem an Duscht. Ahebe oriebig schüttet ar de letscht Kiebl no nei in de Trog, dann goht ar woile ins Haus ond kut mit vier Export in de Händ
meh raus.
Die eschte zwoi zieht ar seal gschwind na, weg s m große Duscht, ond die andre genießet se dann mitanand in allar Rueh. "Was soll des iatz gweah sei, mit der
Wasserlätscherei, ha ? Des war doch grad umsuscht. Hosch mi a bitzle trätze welle, gell ?" - "Zum Wohl", sait de Schorsch ond se stosset a, "woisch, Kare, s Leabe isch
wie der Kiebl Wasser do, des isch mer bei der Sach do grad so aufgange."
"Ah, so", sait dr Kare, verstoht aber glei gar nix. "Ja, ja, gell," dr Schorsch isch ganz begoischtret, "die Frog isch nämlich, was isch, was kut, wenn dr Kiebl leer isch ?
Auf des kut s a, des isch ganz klar." - "Was ?" dr Kare isch allat no it ganz bei dr Sach: "Ja mei," moint ar, "do geits so manke Froga, gell." - "Ja scho, aber alloi
aus deam Umschtand, daß a jedar Kiebl mole leer sei wiad, isch die Frog, "was kut dann" die allerwichtigscht Frog. Alle andre Froga hänget vo der Antwort auf die Frog a,
ond sind dann au drum weniger wichtig, gell. Wenn s iatz Kiebl gäb, die nie leer weare dätet, dann wäret die Froga, was isch in der Zeit, wo des Wasser rauslauft, am
wichtigschte im Leabe, aber des geits ja it, jedar Kiebl wiad amole leer, so hosch ja grad seal gseah. Au dean, wo du hofele ausgschüttet hosch, der isch frei au allat
no reacht gschwind leer wore. Ond weil des so isch, daß a jedar Kiebl leer weare wiad, also daß bei jedam mole s Leabe rum sei wiad, beim oine friehner, beim andre später,
weagsdeam isch des die wichtigscht Frog, die s geit: Was kut dann, wenn dr Kiebl mole leer isch ?"
De Schorsch nimmt de Kiebl in d Hand ond loht die letschte Tropfe naustropfne. "Froga stelle, wie des kuze Leabe denn so sei soll, isch it verkeht, aber vorher sottesch die
Frog beantworte, was isch, wenn alls rum isch ? Vo dere Seite her, also vo Hinda her musch du die Sach, also s Leabe agau ond aluege, des moin i!"
Dr Kare hot s iatz gau verschtande ond isch dr gleich Moinung wie dr Schorsch: "Do hosch frei reacht, ond wenn i denk, wie woile so a Kiebl leer isch, so verschricksch ja
grad! Do sott ma frei wisse, wie s dann weitergoht. Goht s denn dann überhaupt weiter, oder bleibt der Kiebl halt oifach leer flacke ond dricknet aus ? Wer woiß ? Do
sott ma scho nosinne drübert."
"So isches", ergänzt de Schorsch, "der Frog sottesch nosinne, der kasch it auskomme. Ond wenn s doch au gar it here witt: dr Kiebl wiad wellaweg leer weare, gell. Do isch
es doch gscheider, i mach mer voanazue meine Gedanke."
So hocket se no a Weile gmietlich auf m warme Villebänkle ond sinnieret über s kuze Leabe noch, des wie a Kiebl Wasser isch. Dr Kare goht dann noamole ins Haus ond holet
zwoi nuie Export. Bevor ar d Fläsche asetzt, moint ar no: "Schorsch, oi Verbesserung vo der Gschicht mit m Kiebl Wasser hett i no: Mit ar Halbe Bier kinnt ma des grad so
guet erkläre, well so a Hälbele isch frei au saumäßig woile leer, bald no gschwinder als wie a Kiebl Wasser. Ond do hett i dir dann no lieber beim Sinniere gholfe, proscht."
Hier die Hochdeutsche Version:
Allgäuer Philosophentage - Das Leben ist ein Eimer Wasser -
Kennen Sie die Allgäuer Philosophentage ? Nein ? Ja dann hören Sie mal zu:
Wie Sie langsam alle wissen, wohnt der Schorsch in einem alten Bauernhof, weit draussen, weg vom Dorf, wo noch nicht einmal die buntgefleckten Hightech-Jogger bis
heute ihn erreicht haben, also ziemlich weit draussen.
Diese Einödhöfe hat es früher, als ich klein war, in großer Zahl gegeben. Heute gibt es sie schon immer noch, jedoch in den wenigsten wohnen noch die Leute, die früher
die Höfe bewirtschaftet haben. Entweder gehören sie reichen Stuttgartern, die nur noch am Wochenende kommen (dies sind meist richtige kleine Paläste mit Alarmanlagen
und allem Luxus) oder Bauernhöfe sind alle komplett ausgebaut, und es wohnen mehrere Partien in ihnen. Wo dort früher die Kühe zum Stallfenster herausschauten, schauen
jetzt Menschen hinter Gardinen hervor oder es stehen Computer herum. So oder so: die Einödhöfe haben das verloren, was sie früher ausgemacht haben.
Deswegen ist der Schorsch früher da draussen nichts Besonderes gewesen, heute aber schon. Bei ihm stehen nämlich noch Jungrinder im Stall und echtes Heu liegt im Heustock
und auf der Tenne sind noch eine Menge Spinnweben, so wie es sich gehört.
An einem milden Sommerabend kommt der Kare mit dem Rad beim Schorsch vorbei. Das macht er sehr gerne, weil er, wenn er mit seiner Tour beim Schorsch angekommen ist, dann
den Rauhen Stein und den Berg nach Dezion hinauf bereits hinter sich hat. Als Belohnung für die Anstrengung gibt es dann beim Schorsch, seinem alten Freund, natürlich
ein paar Bier, das ist klar.
Der Schorsch sitzt auf der Bank vor dem Haus und grübelt, als der Kare mit dem Rad um die Hausecke kommt.
"Hallo Kare" - "Hei Schorsch!" Dann setzt sich der Kare zum Schorsch und beide schauen gemütlich zum Fischweiher vom Nachbarn hinab. "Ist gerade gut, daß du kommst, Kare,
du kannst mir schnell helfen." - "Ja, gern," sagt Kare, "was soll ich denn tun ?" Der Schorsch zeigt zum Brunnen nebenan. "Mach mir doch gerade einen Eimer halbvoll mit
Wasser und schütte ihn in den Brunnen." Der Kare tut ihm den Gefallen und Schorsch schaut interessiert zu. "Hm" meint der Schorsch, "das war schon recht ordentlich, aber
jetzt schütte den Eimer doch mal schneller hinein."
Der Kare tut ihm auch diesen Gefallen. "Aha", sagt Schorsch zufrieden, "und jetzt nochmal, diesmal ganz langsam, so langsam es nur geht." Als der Eimer dann langsam auch
leer wurde, grübelt der Schorsch vor sich hin: "Ja, ja, genau so ist es. Komm Kare, noch einmal: schütte den Eimer nochmal ganz normal in den Brunnen hinein." - "Aber dann
ist Feierabend." Kare hat langsam die Nase voll und vor allem hat er Durst. Ohne großes Interesse schüttet er den letzten Eimer noch in den Trog, dann geht er sofort
weiter ins Haus und kommt mit vier Bier in den Händen wieder zurück.
Die ersten zwei trinkt er selber recht schnell, weil er großen Durst hat und die restlichen genießen sie dann in aller Ruhe miteinander.
"Um was ist es jetzt bei der Wasserschütterei denn gegangen, hä ? Das war doch völlig umsonst. Hast mich ein wenig ärgern wollen oder ?" - "Zum Wohl", sagt der Schorsch
und sie stoßen an. "Weisst du Kare, das Leben ist wie der Eimer Wasser da, dies ist mir bei der Aktion hier gerade so klar geworden."
"Ah so", sagt der Kare, versteht aber überhaupt nichts. "Ja, ja", der Schorsch ist ganz begeistert, "die Frage ist nämlich, was ist, was kommt, wenn der Eimer leer ist ? Auf
das kommt es ja drauf an, das ist ganz klar." - "Was ?" der Kare begreift nicht. - "Ja, wenn der Eimer Wasser unser Leben ist, dann ist doch die Frage, was ist los, wenn
er leer ist ? Was kommt dann ?" Der Kare ist immer noch nicht ganz bei der Sache: "Ja, hm, da gibt es so manche Fragen..." - "Ja, schon, aber alleine aus der Tatsache, daß
jeder Eimer eines Tages leer sein wird, folgt die Frage, was kommt dann, als allerwichtigste Frage. Alle anderen Fragen hängen von der Antwort auf diese Frage ab und sind
somit auch weniger wichtig. Wenn es jetzt Eimer gäbe, die nie leer werden würden, dann müsste man sich überlegen, was die wichtigste Frage im Leben denn ist. Aber das gibt
es ja nicht, jeder Eimer wird eines Tages leer, das hast du ja gerade selber gesehen. Auch der Eimer, den du so langsam ausgeschüttet hast, der ist aber immer noch relativ
schnell leer geworden. Und weil das so ist, daß jeder Eimer leer werden wird, also daß ein Jeder eines Tages sterben wird, die einen früher, die anderen später, aus diesem
Grund ist dies die wichtigste Frage, die es gibt: Was kommt dann, wenn der Eimer leer ist ?"
Der Schorsch nimmt den Einer in die Hand und lässt die letzten Tropfen heraustropfen. "Fragen stellen, wie dies kurze Leben denn so sein sollte, ist nicht verkehrt, aber
vorher sollte man die Frage beantworten, was ist, wenn es vorbei ist ? Von dieser Seite her, also von Hinten her musst du die Sache angehen, das sehe ich so."
Der Kare hat jetzt langsam verstanden und ist der selben Meinung wie der Schorsch: "Du hast recht, und wenn ich daran denke, wie schnell so ein Eimer leer ist, dann
erschrecke ich bei dem Gedanken. Es sollte eigentlich jeder wissen, wie es weitergeht. Geht es denn überhaupt weiter oder bleibt der Eimer nur einfach leer und trocknet
aus ? Wer weiß ?"
"So ist es", ergänzt Schorsch "Dieser Frage kannst du eigentlich gar nicht ausweichen. Und wenn es jemand auch nicht hören will: der Eimer wird dennoch leer werden.
Da ist es doch klüger, ich mache mir vorher bereits Gedanken darüber."
So sitzen sie noch eine Weile gemütlich auf dem warmen Bänkchen und denken über das kurze Leben nach, das wie ein Eimer Wasser ist, der schnell ausgeschüttet wird. Der
Kare geht dann nochmal ins Haus und holt zwei frische Bier. Bevor der die Flasche ansetzt, meint er noch: "Schorsch, eine Verbesserung für die Geschichte vom Eimer
Wasser hätte ich noch: Mit so einem Bier könnte es man genausogut erklären, weil so ein Fläschchen Bier ist ja gerade so schnell leer wie so ein Eimer. Da hätte ich
dich dann noch lieber bei deinen Beobachtungen unterstützt. Prost."
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