Ein Märchen 1996



Es war einmal ein armer, alter Mann. Der wohnte in einem kleinen Haus mit einem kleinen Garten, in dem ein schöner Apfelbaum stand. Er war Schuster von Beruf. Wenn er nicht arbeiten musste, sass er unter seinem Apfelbaum und schaute den Leuten auf der Strasse zu, die an seinem Haus in Richtung Stadt unterwegs waren.
Und weil er nicht viel Arbeit hatte, sass er oft unter dem Apfelbaum. Natürlich musste er auch den kleinen Garten mit den Blumen und dem angebauten Gemüse pflegen, denn er war ja arm und musste vom Ertrag des Gartens leben.
Er war nicht traurig, dass nur wenige Leute bei ihm ihre Schuhe reparieren liessen. Er war auch nicht traurig, dass er sich kein Festessen und keine schönen Gewänder kaufen konnte. Er war nicht traurig, dass er allein war.
Das war das Besondere an ihm: er war zufrieden.
Der Mann ging gerne in der Umgebung spazieren und manchmal traf er unterwegs einen anderen Mann. Sie setzten sich dann zusammen an einen Teich und erzählten sich Geschichten oder redeten über das Leben.
Der andere Mann war reich. Er besass viel Land und ein großes Haus. Er hatte Wälder, Äcker, Tiere und sehr viel Geld. Er hatte auch viele Diener, die alle Arbeit für ihn verrichteten und dennoch hatte er wenig Zeit.
Er musste viele Geschäfte machen, damit sein vieles Geld sich vermehren konnte.
Er war traurig, dass sein Haus ihm noch nicht groß genug war und er war traurig, dass er noch zu wenig Ländereien hatte. Er war traurig, dass er zu wenig Zeit hatte, um wirklich alle guten Geschäfte, die möglich wären, abzuschliessen. Er war traurig, dass er nicht das allergrößte Festmahl der Welt veranstalten konnte und er immer noch nicht die teuersten Gewänder der Welt in Besitz hatte. Er war traurig, dass er allein war, obwohl er eigentlich gar keine Zeit hatte, um traurig zu sein.
Das war das ganz normale an ihm: er hatte nie genug und war unzufrieden.