Allgäuer Philosophe-Däg - Unter m Reagedach



Kennet ihr die Allgäuer Philosophe-Däg ? Noi ? Ja dann loset mole zue:
Dr Schorsch ond dr Kare, zwoi alte Freind aus Zeita, wo s im Allgäu no wesentlich wilder zuegange isch, standet vor m Rössle unter Kare seim Reagedach ond watet, bis der Schüttlar nocheloht.
Dann gohts weiter, in d Sonne num, wie allat am Migde, zum Sechseseachzge. Ond wie die zwoi do so zämetduckt unterm Reagedach standet, kut amole scho a philosophischar Hoigate zämet. Oi saget au "Breazgemaat" derzue.
"Mei Schorsch, des isch aber meh a Sauweatter heit, hoffentlich lohts ahebe noche, gell." Dr Kare lueget hofele unterm Schirm naus, in de schwaze Himmel nauf "Jau, Kare, des wiad scho gau weare". Dann isch meh a Weile Ruhe, ma hehrt blos s Letsche vom Reage
Normalerweise fällt m Schorsch allat ebbas zum Hoigate ei, aber heit isch ar erbar still. Ar lueget au it grad zfriede drei, des fällt m Kare als seim beschte Freind glei auf.
"Ha, Schorsch, wo druckt dr Schueh ? Du luegesch heit ja it grad muschber aus, ha ? Do passt ja grad des Weatter zu dir, oder ? Freisch die denn it auf s Sechseseachzge in dr Sonne ?"
"Noi, heit it so reacht, Kare." Dr Schorsch isch kuz riebig ond lueget gradaus in de Reage nei. "Kennsch meine Entla ? Gell scho, scho se ja scho oft gseah, wenn bei mir do warsch.So nette Kerle, sag i dir. Am Morge Früh wecket se mi oft mit ihrem Geschnatter, des gfreit mi jedsmole, do isch oifach a Leabe omanand. Wenn se dann in de kleine Gumpe na watschlet, die drei Kleine voanaher ond dr Groß, dr schiene stolze Entar hinda dana! Der lueget au allat, daß se zämetbleibet ond zoigt na, wo se nagau sollet. So ischer, der liebe Kerle, der. Jeden Dag frei i mi an deane, wenn se so ums Haus rum sind. Wenn se mit ihre Schnäbel im Gräs rumsuchet ond d Schneacka freasset, des isch oifach nett. Zeitweis hots natürle scho au a Gfrett gea, wenn dr Hack omanand war, do hot s iamole scho oine verdwischt. Dann sind se allat reacht ängschtle unter m Dach ghocket ond hand koin Mucksar meh gmacht. Leider ha i scho manke Ente vergrabe miesse, wenn dr Hack me oine packt ond hiegmacht hot.
Ond des Gfrett mit de Junge, mei, wie lang hot die Alt briete miesse, bis die gschloffe sind! Kaum meh rakomme vom Neascht isch se, blos zum gschwind was freasse ond an Juckar ins Wasser, des war alls. Ond die andre hot se gar numma na lau ans Neascht, au mi hot se dann allat gherig agfaucht. Do hosch frei scho Reschpekt kriegt. Ond wenn se dann gschloffe sind, die Kleine Biebela, ha i de Entar auf d Seite sperre miesse, weil der hett die Junge glatt hie gmacht, des isch scho au komisch mit der Natur do. Mei, waret die Biebela nett, sag i dir, ha i mi gfreit über die! Wenn d Entemama mit na ins Wasser isch, mit deane kleine Kerle...", de Schorsch lacht leise ond lueget ganz verträumt. De Kare isch iatz gau koi so a Freind vo deane Viecher, will aber natürle seim Freind was Guets tue. "Jau, setta Entla sind scho nett, do hosch scho a Freid dra." Meh woiß ar halt it zum sage.
De Reage wiad no minder, anstatt ar nochelau dät. Noch ar Weile Stille fangt de Schorsch meh a: "Mei, s Leabe isch wie bei de Enta, gell..." - "Wie moinsch iatz des ?" frogt de Kare noche. "Lue," sait dr Schorsch,"wenn ma jung isch, isch ma stark ond ka viel verroiche, ma hot viele Sacha vor, die ma mache will, ma will allgemein aus seim Leabe ebbas mache ond legt amole gherig los. Do khert drzue, a Familie gründe, a Haus baue, a solides Leabe halt, oder ma will was ganz Bsonders mache, was woiß i, des ka alls mögliche sei. Dann geits an Punkt, a Zeit, wo ma ganz oba isch, wie beim Riesenrad auf m Kemptnar Kathreinemaat, do dob hosch dann a tolle Aussicht, ma hebt a bitzle a, det dob, ond dann gohts meh ahebe berga. So isches im Leabe: zmole gohts dann berga. Vieles vo deam, was ma sich so sche agsammlet, sich so schwer verschaffet hot, verliert ma meh noranand. Au d Gsundhoit hebt it ewig, gell. Oft mecht ma dann mit Gwalt det oba bleibe, will nix hergea, aber s Leabe reisst dr scho deine Sächela aus dr Hand, so verhebsch nix. Isch es do it gscheider, des halt so laufe lau, sich it wehre drgege ? S Rad goht nawäats ond s Wasser lauft au berga, do kasch do was de witt, bleibt allat weniger übrig.
Oi Entle noch m andre hollet dr Hack, do kasch aufbasse wie de witt, amend denksch dann, die letscht, die letscht kriegt ar it, die geisch du auf koin Fall her, die MUSS dr doch bleibe, do schtrengsch di a, witt se mit allem Gwalt verhebe, aber s wiad dr nix nütze, au die letscht hollet dr Hack oder dr Fuchs ond dann isch Feierobend, dann isch aufgrummet. Beim oine früher, beim andre schpäter, des isch grad glei. Wie sait ma so nett ? S letschte Hemed hot koine Täscha, gell. Wenn s überhaupt no a Hemed leit, woisch."
Dr Schorsch lueget reacht seer ond a bitzle verdätscht drei, mit seine nasse Hoor. "Ond woisch, Kare, meine Entla sind iatz alle hie, des ha i dir sage welle."
Dr Kare wär it dr Kare, wenn ar it sette schwere Däg vom Schorsch no a bitzle auffange kinnt. "Schorsch, mei Liabar Freind, itaz los, es ma so sei, wie du saisch, des glaub i scho, aber lue eis zwoi doch iatz grad amole a, wo mir grad standet: mir standet unterm Reagedach, ond so isch eiser ganzes Leabe au unterm Reagedach vom Herrgott, des deasch it vergeasse. Vo dr Seite rei geit s halt amole a paar Spritzar, mei, des isch halt so. Muesch do iamole a bitzle weiter reidrucke, unter s Dach. Des isch wichtig, grad so wichtig, wie deine Entla, gell."
Ahebe loht dr Reage noche ond se gand mitanand in d "Sonne" num, die zwie alte Freind.
Hand it boide reacht ? Was denksch du ?





Hier die Hochdeutsche Version:

Allgäuer Philosophentage - Unter dem Regenschirm -

Kennen Sie die Allgäuer Philosophentage ? Nein ? Ja dann hören Sie mal zu:
Der Schorsch und der Kare, zwei alte Freunde aus Zeiten, in denen es im Allgäu noch wesentlich wilder herging, stehen vor dem Gasthaus "Rössle" unter dem Regenschirm vom Kare und warten, bis der Schauer nachlässt.
Danach geht es dann weiter, in die "Sonne" hinüber, wie immer am Mittwoch, zum Sechsundsechzig-Spielen.
Und wenn die beiden da so zusammengedrängt unter dem Regenschirm stehen, kommt manchmal schon ein philosophisches Gespräch zustande. Manche bezeichnen es auch als "sinnlose Diskussion" oder so.
"He Schorsch, das ist heute aber wieder mal ein schlechtes Wetter, hoffentlich lässt es bald nach, ja." Der Kare schaut vorsichtig unter dem Schirm hervor, in den schwarzen Himmel hinauf. "Ja, Kare, das wird schon werden." Dann ist wieder eine Weile Stille, man hört nur das Prasseln der Regentropfen. Normalerweise fällt dem Schorsch immer etwas zum Reden ein, aber heute ist er sehr still. Er schaut auch gar nicht zufrieden, dies fällt dem Kare als altem Freund natürlich sofort auf.
"Na Schorsch, wo drückt der Schuh ? Du schaust heute nicht gerade munter drein, was ? Das Wetter ist ja gerade passend für deine Stimmung, oder ? Freust du dich denn nicht auf das Sechsundsechzigspiel in der Sonne ?"
"Nein, heute nicht so recht, Kare." Schorsch macht eine Pause und starrt geradeaus in den Regen. "Kennst du meine Enten ? Natürlich, hast sie ja bereits oft gesehen, als du bei mir zu Besuch warst. Sind so nette Kerlchen, sage ich dir. Am morgen Früh wecken sie mich oft mit ihrem Geschnatter, das freut mich jedesmal, da ist einfach Leben um mich. Wenn sie dann zum kleinen Teich hinabwatscheln, die drei Kleineren voran und der große, schöne Erpel hinterher! Der achtet immer darauf, daß sie zusammenbleiben und zeigt ihnen, wo sie hingehen sollen. So ist er, der liebe Kerl, der. Jeden Tag freue ich mich an ihnen, wenn sie so ums Haus herum sind. Wenn sie mit ihren Schnäbeln im Gras herumsuchen und die Schnecken fressen, das ist einfach nett. Zeitweise gab es natürlich schon auch Probleme, wenn der Habicht kam, da hat er zwischendurch schon eine Ente erwischt. Dann sind die anderen alle recht ängstlich unter dem Dach gekauert und haben keinen Mucks mehr gemacht. Leider musste ich bereits manche Ente vergraben, wenn der Habicht eine gepackt und getötet hat.
Und die Umstände mit den Jungen, oh wie lange musste die Alte brüten, bis sie dann endlich schlüpften! Kaum mehr heruntergekommen ist sie von ihrem Nest, nur noch kurz zum Fressen und ins Wasser. Und andere Enten liess sie nicht mehr in die Nähe des Nestes, auch mich fauchte sie dann aggressiv an. Da hatte ich schon Respekt vor ihr. Und als die Küken dann geschlüpft waren, musste ich den Erpel wegsperren, weil er die Jungen tatsächlich getötet hätte, das ist schon eigenartig mit der Natur. Oh, waren die Küken nett, sage ich dir, habe ich mich gefreut über sie! Wenn die Entenmama mit ihnen ins Wasser ging, mit den kleinen Küken...," Schorsch lacht leise und blickt ganz verträumt. Kare ist nicht so sehr von den Tieren begeistert, will aber natürlich seinem Freund zustimmen. "Ja, so Entlein sind schon nett, da hast du schon Freude dran." Mehr weiß er nicht zu sagen.
Der Regen wird noch stärker anstatt er nachlassen würde. Nach einer Weile der Stille fängt Schorsch wieder an: "Das Leben ist wie bei den Enten." - "Wie meinst du jetzt das ?" fragt Kare nach. "Schau," sagt der Schorsch, "wenn man jung ist, ist man stark und kann viel erreichen. Man hat viele Dinge vor, die man tun will, man will allgemein aus seinem Leben etwas machen und legt kräftig los. Dazu gehört, eine Familie zu gründen, ein Haus zu bauen, ein solides Leben halt, oder man will etwas ganz Besonderes machen, was weiss ich, das kann alles Mögliche sein. Dann gibt es einen Punkt, eine Zeit, in der man ganz oben ist, wie beim Riesenrad auf dem Kemptener Kathreinenmarkt. Da oben hast du dann eine herrliche Aussicht, es hält ein wenig an und dann geht es bergab. So ist es im Leben: plötzlich geht es dann bergab. Vieles von dem, was man sich so schön angesammelt hat, sich so erarbeitet hat, verliert man dann wieder nach und nach. Auch Gesundheit hält nicht ewig. Oft will man dann mit Gewalt unbedingt oben bleiben, man will nichts loslassen, jedoch das Leben reisst dir die Dinge schon aus den Händen, da gibt es kein Halten. Ist es da nicht klüger, sich nicht zu wehren sondern es so laufen zu lassen ? Das Rad drehts ich hinunter, da kannst du machen, was du willst, es bleibt dir immer weniger übrig.
Eine Ente nach der anderen fällt dem Habicht zum Opfer oder es holt sie der Fuchs, da kannst du dich mühen wie du willst. Dann denkst du noch, die letzte, die muss dir erhalten bleiben, du strengst dich an, willst sie festhalten, aber es wird dir nichts nützen. Selbst die letzte Ente holt der Fuchs und dann ist Feierabend. Beim einen früher, beim anderen später, das spielt keine Rolle. Wie sagt man so nett ? Das letzte Hemd hat keine Taschen. Wenn es überhaupt noch ein Hemd gibt, weisst du."
Der Schorsch blickt recht traurig und ein wenigt zerknautscht drein. "Und weisst du, Kare, meine Enten sind jetzt alle tot, das wollte ich dir sagen."
Kare wäre nicht Kare, wenn er nicht solche schwere Tage beim Schorsch noch etwas mildern könnte. "Schorsch, mein Lieber, jetzt hör zu, es mag so sein wie du sagst, das glaube ich schon, jedoch schau uns zwei doch einmal an, wo wir gerade stehen: wir stehen unter dem Regenschirm und so ist unser ganzes Leben auch unter dem Schirm Gottes, dies darfst du nicht vergessen. Von der Seite kommen manchmal ein paar Spritzer, das ist einfach so. Manchmal musst du dann ein wenig mehr in die Mitte rücken. Das ist wichtig, mindestens genauso wichtig wie das mit den Enten."
In diesem Augenblick lässt der Regen nach und sie gehen beide zur "Sonne" hinüber.
Haben sie nicht beide recht ? Was denken Sie ? .