De klei Richard
Kennet ihr die Allgäuer Philosophe-Däg ? Noi ? Ja dann, loset mol zue:
Heit verzell i vom kleine Richard oder vom Richardle, wie ma zu eam sait. Bekannt isch ar au unter "Krautars Richardle" ond des kut doher, well Krautar de Hausname isch. Ond well de
Vatter vom Richardle Richard hoisst, sait ma zum Bue natürle dann Richardle. Oft bleibt der Name dann bis ins hohe Altar aso.
Krautar wohnet scho lang koine meh auf deam Hof und ausser de ganz Alte woiss koinar, woher der Name kut. Der Hof isch ond bleibt halt de Krautar-Hof ond alle, die do wohnet, sind vom Krautar
drhind. So isches halt bei eis.
Die moischte Heiser omanand hand Hausname, ob des Hentsch, Grill oder Stampfar isch - wenn die im Telefonbuch suechsch, dann wiasch se it finde.
Viel friehner, bis so um 1700 rum, hot s im Allgäu no koine Hausname gebe. Well die moischte Josef, Maria oder Hans ghoisse hand, hot ma d Leit allat gean verweachslet. Oft hand se drzue
au no die gleiche oder ähnliche Nochnäme khet; es war a reachtar Duranand. Es isch dann scho vorkomme, dass a ganz falschar Josef a Nochred ghet hot, obwohl der gar nix dau hot. Drum hot ma dann
de Höf oigene Hausname geabe ond scho hot jedar gnau gwisst, wer gmoint isch. Viele vo deane Hausname hand mit Berufe wie Schuschtar oder Stampfar zum do khet.
Aber iatz simmer ganz vo dr Gschicht wegkomme, die i verzelle will. Also:
De Schorsch isch de Onkel vom Richardle ond drum deaf de kleine Lausar in de Ferien allat meh mole sein Onkel bsuche. Moischtens kut ar ohne Anmeldung vorbei. Zeitweis hot Richards Papa no beim
Schorsch doba agrufe, aber well der sowieso nie ans Telefo goht, hot ar des bald sei glau ond de Bue auf gut Glück losgschickt.
Des mit m Telefo isch beim Schorsch so a Sach: wie sich s ghert, hanget des im Hausgang an dr Wand. Here duets de Schorsch also blos, wenn ar grad im Hausgang stoht. Des isch aber kaum der Fall.
Wenn ar in dr Kuche werklet, in dr Stube aufm Kanapee flacket beim Fernsehe, wenn ar hindaduss noch de Schumpe lueget oder beim Holzmache isch, dann hert ar natürle nix.
Ond suscht isch de Schorsch gean au mol beim Eikehre im Fleacke dond oder mit m Kare unterwegs. Die moischte Leit wisset des ahebe ond drum ruft so gut wie niemed meh bei eam a. Scho manke Call-Center-
Dame wär schier verzweiflet, well se de Schorsch halt nie verdwischt, um eam a Zeitung oder suscht an Kruscht, dean koinar braucht, aufzumschwätze.
De Kare hot m scho oft grote, ar soll halt an Anrufbeantwortar her do, aber des will de Schorsch it, des isch m z nuimodisch. Die ganz Wealt isch vernetzt, blos beim Schorsch hot s Netz a Lo.
Itz simmer aber scho wieder vo meinar Gschicht weg, iatz steig mer glei meh ei:
Heit isch meh soweit: s Richardle deaf de Onkel Schorsch bsuche.
Es war a warmar Sommerdag in de Ferien. De Schorsch hot grad nix Wichtigs zum do ghet ond drum hot ar sich reacht gfreit, well ar des Büble mit seinem rote Fahrrädle de Buckel rauf komme gseah hot.
Raufweats hot ar natürle schiebe miesse, aber drfür isch es aufm Hoiweag dann um so leichter gange.
Ganz miad ond erledigt war s Richardle, well s endlich beim Schorsch eitroffe isch. Glei hot ar sich auf s Villebänkle ghocket ond de Schorsch hot m a Glas Apfelsaft zum drinke brocht. An Hunger hot de
Bue au scho ghet. Natürle woiss de Schorsch, was s Richardle ma: Pfannkuche mit Erdbeermarelad. Zescht sind se loszoge, zu de Henna num ond hand frische Oier aus de Neaschter gholet. Dann sind se in d
Kuche ond bald druf waret die eschte Pfannkuche fetig.
Viel koche ka de Schorsch ja it, aber seine Pfannkuche sind echt gut. Au desmol sind se grote.
So hocket se gmietlich am Tisch. Mit Marmelad brauchet se it spare, die hot de Schorsch allat gnue do.
Bei der Glegenhoit hand die zwoi an nette Hoigate ghet ond es hot sich rausgstellt, dass s Richardle au a bizle seinem leicht gschpässige Onkel nochschlecht.
S Richardle froget: "Onkel, was isst eigentlich de Herrgott zum Mittageasse ? Hot der au so gute Pfannkuche, wie du ?"
De Schorsch lachet ond sait: "Mei, Richardle, Gott isst gar nix zum Mittageasse."
Do wundret sich de Bue: "Ja, wenn der koi Mittageasse kriegt, kriegt ar dann wenigschtens zur Brotzeit a Ei ?"
De Schorsch denkt kuz noche, dann moint ar freundlich: "Also, Richardle, des isch so: dr Herrgott macht au koi Brotzeit, well er hot gar koin Leib."
Iazt muss s Richardle a Weile nochdenke, dann sait ar: "Ach so, iatz woiss i s. Seine Füess sind direkt am Hals agwachse!"
Hochdeutsche Version:
Richardle
Kennt ihr die Allgäuer Philosophen-Tage ? Nein ? Dann hört mir zu:
Heute erzähle ich vom kleinen Richard oder vom Richardle, wie man zu ihm sagt. Bekannt ist er auch unter Krautars Richardle und das kommt daher, weil Krauter der Hausname ist. Weil der Vater vom
Richardle Richard heisst, sagt man zum Sohn natürlich dann Richardle.
Dieser Name bleibt dann oft bis ins hohe Alter.
Krauter wohnen schon lange keine mehr auf dem Hof und ausser den ganz Alten weiss niemand mehr, woher der Name stammt. Der Hof ist und bleibt halt der Krauter-Hof und alle seine Bewohner sind vom
Krautar drhind. So ist es nun mal bei uns.
Die meisten Häuser hier haben Hausnamen, ob das der Hentsch, der Grill oder der Stamper ist - wenn man im Telefonbuch danach sucht, wird man sie nicht finden.
Vor langen Zeiten, bis so um 1700 herum gab es im Allgäu noch keine Hausnamen. Weil die meisten Josef, Maria oder Hans hiessen, hat man die Leute vielfach verwechselt. Oft hatten sie dazu noch die
selben oder ähnliche Nachnamen: ein ziemliches Durcheinander. Es kam dann schon vor, dass über den falschen Josef Gerüchte in Umlauf waren. Deshalb ist man dazu übergegangen, den Häusern und Höfen
Hausnamen zu geben und schon konnte jeder wissen, wer genau gemeint ist. Viele dieser Hausnamen hatten mit Berufen der damaligen Besitzer zu tun, wie Schuster oder Stampfer (Knochenstampf).
Wir sind jetzt aber ganz von der Geschichte abgekommen, die ich erzählen wollte. Also:
Schorsch ist der Onkel vom Richardle und deshalb darf ihn der kleine Lausbub immer mal wieder besuchen. Meist kommt er ohne Anmeldung einfach vorbei. Zeitweise hatte noch Richardles Vater, also der
Richard, beim Schorsch oben angerufen. Aber weil der meistens nicht ans Telefon ging, hat er das bald aufgegeben.
Das mit dem Telefon ist beim Schorsch so ein Problem: wie es sich gehört, hängt der Apparat im Hausgang an der Wand. Hören kann es der Schorsch also nur, wenn er sich im Hausgang aufhält. Dies ist
jedoch kaum der Fall. Wenn er in der KÜche werkelt, in der Stube beim Fernsehen auf dem Kanapee liegt, wenn er Draussen bei den Schumpen ist oder Holz hackt, dann hört er natürlich kein Telefon.
Dazu ist Schorsch noch gern mal im Dorf unten beim Einkehren oder mit seinem Freund Kare unterwegs. Sein Bekanntenkreis weiss dies inzwischen und ruft schon gar nicht mehr an. Manche Callcenter-Dame
wäre schier verzweifelt, weil sie den Schorsch nie ans Telefon bekommt, um ihm eine neue Zeitung oder sonst irgend einen Kruscht, den keiner braucht, aufzudrängen.
Der Kare riet ihm schon oft, er solle sich einen Anrufbeantworter anschaffen, aber das will der Schorsch nicht, das ist ihm zu modern. Die ganze Welt ist vernetzt, nur beim Schorsch hat das Netz
ein Loch...
Jetzt sind wir schon wieder vom Thema abgewichen. Dafür steigen wir jetzt sofort ein:
Heute ist es mal wieder soweit: das Richardle darf seinen Onkel Schorsch besuchen.
Es war ein warmer Sommertag im Juli und weil Schorsch gerade nichts Wichtiges vor hatte, freute er sich sehr, als er den Buben sah, wie er mit seinem Kinder-Fahrrad den Berg herauf kam.
Zwar musste er schieben, aber dafür geht es dann auf dem Heimweg um so leichter.
Ganz erschöpft war das Richardle, als es endlich beim Schorsch oben eintraf. Er setzte sich auf die Bank vor dem Haus und Schorsch brachte ihm ein Glas Apfelsaft. Natürlich war der Bub hungrig und
natürlich wusste Schorsch, was sein Neffe so liebt: Pfannkuchen mit Erbeermarmelade.
Zuerst zogen sie los, hinüber zum Hühnerstall, holten frische Eier aus den Nestern, dann gingen sie in die Küche und bald darauf waren die ersten Pfannkuchen fertig. So richtig kochen kann der Schorsch
nicht, aber seine Pfannkuchen sind klasse.
So sitzen sie gemütlich am Küchentisch und lassen sich die mit reichlich Marmelade belegten Pfannkuchen schmecken. Bei dieser Gelegenheit führten sie eine nette Unterhaltung und es stellte sich heraus
dass das Richardle seinem leicht gschpässigen Onkel ähnlich ist.
Das Richardle fragt: "Onkel Schorsch, was isst eigentlich de Herrgott zum Mittageasse ? Kriegt er au mol so guete Pfannkuche wie n i ?"
Schorsch lacht und meint: "Mei, Richardle, dr Herrgott isst gar nix zum Mittag."
Da wundert sich der Bub: "Ja, wenn der koi Mittageasse kriegt, kriegt ar dann wenigschtens zur Brotzeit a Ei ?"
Schorsch überlegt kurz und meint dann: "Also, Richardle, des isch so: dr Herrgott macht au koi Brotzeit, der isst gar nix, well er hot gar koin Leib."
Jetzt muss Richardle nachdenken und sagt dann nach einer Weile:
"Ach so, iazt woiss i s: Well seine Füss direkt am Hals agwachse sind!"