Windows XI 11.11.98
So, da sitze ich nun wieder in meinem Zimmer, allein. Herrlich, diese Ruhe, die warme Stille, die mich umgibt.
Tut so richtig gut, nach all dem Trubel heute. War wieder mal ein voller Tag. Voll von Arbeit, wie immer auch neue Ideen dabei, hier und da wieder ein Stückchen weitergekommen,
wenn auch nicht viel, aber immerhin.
Voll mit Begegnungen unter Kollegen, den Bekannten. Gerade das letzte Gespräch war recht interessant und der Kollege sehr nett. Wenn nur alle so wären....
Also nochmal: herrlich, diese Ruhe, die warme Stille, die mich umgibt.
Mich würde jetzt interessieren: weshalb war Y heute Vormittag so aufgebracht, als ich ihm von der bevorstehenden Änderung erzählte ? Weshalb dachte er, dass es meine Idee wäre ?
Habe ich es falsch ausgedrückt ? Ich meinte es doch gut.
Wenn ich doch nur mit jemandem darüber reden könnte, wenn jemand hier bei mir stehen würde und zuhören würde, wenn einfach nur jemand da wäre.
Ja, was will ich nun eigentlich: diese herrliche Ruhe oder einen Gesprächspartner ?
Verdrängen, du musst nur verdrängen, ja nicht weiter darüber nachdenken, ist ja alles nicht so wichtig. Aber: weshalb hat...halt, jetzt nicht. Was könnte ich nur tun, um mich abzulenken ?
Diese verflixte Ruhe. Ich muss irgendetwas tun, und zwar schnell. Weshalb hat.... da schon wieder! Ich hasse diese Ruhe!
Alles so still, kein Laut. Die leisen Geräusche von der Strasse verstärken die Ruhe noch eher. Ja, die Strasse draussen zeigt mir erst recht, dass ich hier drinnen allein bin.
Allein...leise kriecht das Wort in meine Gedanken und breitet sich aus, bis alles andere Denken davon beherrscht und überdeckt wird. Was wollte ich gerade ?
Allein sein...nein, wollte ich nicht, ich will nicht allein sein, bin es dennoch.
Allein und vergessen, die anderen haben mich vergessen, einfach vergessen. Der Verkehrslärm der Strasse bestätigt mir: sie haben mich vergessen. Weisst du, was das Schreckliche daran ist ?
Sie wissen es nicht einmal! Keiner weiss, dass ich jetzt allein im Zimmer hier sitze und so denke, nur ich weiss es. Mein Zimmer könnte genausogut auf dem Mond sein, ein Gefängnis, mitten in
der Unendlichkeit mit nicht einmal Luft zwischen mir und den anderen.
Und die wissen, die ahnen es nicht einmal!
Wenn ich die Türe meines Zimmers hinter mir schliesse, ist es, als ob ich unsichtbar werde. Gut, manchmal bin ich froh darüber, aber jetzt...
Ich will mit jemandem reden, doch keiner sieht mich, hört mich, bin auf dem Mond verschollen. Es ist ja auch völlig egal, wo ich bin, wie es mir geht. Natürlich, ihr anderen, ihr müsst
nach Hause fahren, zur Familie, zu euren Freunden, sie warten auf euch, man hat für euch gekocht.
Und bleibt doch mal einer hier übrig, dann kann er immerhin noch einen Freund anrufen.
Mein einziger Freund ist das leere Zimmer hier, die Unsichtbarkeit, das Alleinsein.
Ich muss es verdrängen, ich muss es unbedingt verdrängen. Ich muss diese Gedanken in Griff bekommen!
Mein Partner ist das leere Zimmer, zwar in einem Haus, doch nicht zu Hause. Wo bin ich zu Hause ? Bei meinen Eltern ? Hier ? Hoffentlich nicht.
Unerbittlich kreisen die Gedanken und legen sich wie eine Schlinge immer enger um meinen Hals. Wie ein Strudel saugt das Alleinsein alles Leben aus mir heraus.
Was sagte ein Freund neulich zu mir ? Du bist nicht allein, auch wenn du ohne einen Menschen in deinem Zimmer sitzt.
Wenn ich dies nur glauben könnte, doch die Realität ist anders. Oder ?