Die ehemalige Bergbauernsiedlung Oberried bei Sonthofen
Heute steht von der ehemaligen Ansiedlung nur noch die Kapelle. Folgende Informationen sind über die Kapelle vorhanden:
Droben stehet die Kapelle...und schauet weit ins Tal hinab...An diese Worte von Ludwig Uhland, dessen drei Strophen an der Westseite über dem Eingang angebracht sind, werden die Wanderer unwillkürlich erinnert, wenn sie auf dem Weg oberhalb von Unterried an die einsam dastehende Oberrieder Kapelle gelangen. Sie fügt sich mit ihrem schmucken Zwiebeltürmchen so selbstverständlich in die Landschaft,
die einen herrlichen Rundblick über die Allgäuer Alpen, angefangen von den Ostrachtaler Bergen bis zum Gschwender Horn, bietet.
Fast 1000 m hoch steht die Kapelle, umgeben von Bergwiesen, Bäumen, Wäldern und Heuhütten, ein wenig verträumt da und ladet zur
besinnlichen Einkehr. Das rauhe Klima der Höhenlage hat leider Schäden im Inneren und Äußeren der Kapelle verursacht. Die letzte größere
Renovierung geschah 1959 durch den Heimatdienst und er hat auch dieses Mal die Initiative ergriffen und in Zusammenarbeit mit der Stadt Sonthofen die dringend notwendigen Renovierungen durchgeführt. Morsche Balken mussten ausgewechselt, Mauer- und Putzrisse saniert,
Bilder und Fresko ausgebesseret, Altar aufgefrischt, die Kapelle außen und innen gemalt werden. Spender und finanzieller Beitrag des Heimatdienstes halfen, die Kosten für die Stadt zu senken und Dank eines großzügigen Sponsoren konnte auch das Türmchen erneuert und das Kreuz mit der Kugel vergoldet werden. Die jeweiligen Arbeiten wurden in Abstimmung mit dem Landesamt für Denkmalschutz durchgeführt und alle danran beteiligten Firmen haben gute handwerkliche Arbeit geleistet.
Die Kapelle ist der Dreifaltigkeit geweiht und am Dreifaltigkeitssonntag, dem 03. Juni, wird mit einer Bergmesse um 13:30 Uhr und anschließendem kleinen "Feschtle" für das gute Gelingen gedankt.
Informationen zur Siedlung Oberried:
Die Oberrieder Lehenshöfe gehörten zum Zeitpunkt der Säkularisation im Königreich Bayern (1803) zum Hochstift Augsburg. Alle kirchlichen Besitztümer wurden vom Staat enteignet. Die Leibeigenen in Oberried sind nun freie Bauern. In den folgenden Jahrzehnten wurde das Überleben in Oberried immer entbehrungsreicher. Die vorhandene Siedlungsfläche für Ackerbau und Großviehhaltung reichte für die Bauern nicht mehr aus. Der Flachsanabau kam wegen Baumwollimporten zum erliegen. Die Oberrieder Schulkinder mussten ganzjährig bis nach Berghofen in die Schule gehen.
1899: Der Markt Sonthofen bot den Oberrieder Bauern verlassene Bauernhöfe im Tal an. Die Oberrieder nahmen das Angebot nach langem Beraten und Zögern an und verkauften ihre Höfe und gesamten Grundstücke an die Marktgemeinde Sonthofen für 52.000,00 Mark. Die gestrickten Holzhäusesr von Oberried wurden bis auf die Fundamente aus Moränensandstein abgebaut und die Kapelle özu einer Unterkunftshütte zurückgebaut. Auf vielfachen Wunsch dere Bevölkerung von Sonthofen und Umgebung wurde diese Unterkunftshütte nach einigen Jahren wieder zu einer Kapelle umgestaltet.
In den Jahren 1923 und 1959 fanden die ersten Sanierungen der Kapelle statt. 2007 musste ide inzwischen erneut baufällige Kapelle grundlegend renoviert werden (siehe oben). Die Kapelle gehört jetzt der Stadt Sonthofen. Sichtbar sind noch die Trockenmauern der Fundamente und Kellerwände. Heute leben noch einige Nachkommen der ehemaligen Oberrieder Bewohner im Stadtbereich von Sonthofen.
Oberried war der höchstgelegene Ortsteil der Marktgemeinde Sonthofen und bestand ca. 850 Jahre. Die Sonthofener Ortsteile Staig, Walten, Unterried, Oberried und Breiten wurden die 5 "Ainödinen" genannt. Schriftliche Überlieferungen über Oberried sind wenig vorhanden. 1136 wird Oberried erstmals erwähnt. 1430 (in dem oberen Ried), 1544 (im Oberried). Leibeigene der Herren von Berghofen mussten für Oberried
Siedlungsflächen roden und eine Dauersiedlung mit einigen Höfen aufbauen.
Das Gelände liegt ca. 300 m oberhalb von Berghofen und war für eine Neusiedlung gut geeignet. Südwestseitige Wiesen und Ackerflächen - ergiebige Quellen - große Waldflächen - hochwassersicher. Für den Ackerbau wurden die heute noch sichtbaren Terrassen angelegt und Gerste, Hafer und Flachs angebaut. Die Bewohner hielten Schafe, Ziegen und Hühner. Im 13. Jahrhundert fand die Grastrocknung zu hochwertigem Heu im Allgäu allmählich Verbreitung. In der Höhenlage von Oberried konnte von nun an auch Großvieh das ganze Jahr gehalten werden. Für kirchliche Belange von Oberried war die Sonthofer Urpfarrei "St. Michael" zuständig. 1438 wurde in Berghofen eine kleine Filialkirche der Sonthofer Pfarrei gebaut.
Die Oberrieder Bauern gingen nun zum Kirchgang in die nähergelegene Berghofer Kirche (Kapelle). Aus schriftlichen Aufzeichnungen ist ersichtlich, daß sich die Besitzverhältnisse der Güter in Oberried im Laufe der Zeit und die Namen der leibeigenen Bauern einige Male änderten. Bis ins 15. Jahrhundert gehörten zwei Oberrieder Höfe zum Kloster Ottobeuren. Die Lehensherren verlangten Zinsrechte aber keine Fronrechte. 1430 kauften die Herren von Heimenhofen ein Gut in Oberried vom Stift Kempten.
Im 16. Jahrhundert gab es 3 Bauernhöfe in Oberried. Aus den allgemeinen Mannschafts- und Beschaffungslisten vor und nach dem 30-jährigen Krieg ist bekannt, dass maximal 6 waffenfähige Männer in Oberried wohnten. 1768: Oberried besteht aus 7 Häusern und einer Kapelle. Bei einer Brandkatastrophe werden 6 Häuser und die Ortskapelle vernichtet. Nur das Haus des fürstbischöflichen Jagdaufsehers bleibt unversehrt.
Der Oberrieder Dengelstein:
Für die Bergbauern, die Gras mit der Sense mähen mussten, war der Dengelstein, mit dem Dengelstock und dem Dengelhammer die wichtigste Gerätschaft um eine einwandfreie Sense ständig zu warten. Dazu gehörte auch noch der Wetzstein. Der Dengelstock ist ein Mini-Amboss mit schmaler, leicht bombierter Bahn, der in einem quadratischen Loch im Dengelstein verkeilt ist. Dieser Dengelstock war für die Bauern sehr wertvoll, und wurde von Heuhütte zu Heuhütte bei der Mäharbeit mitgenommen. Dengelsteine lagen vor jeder größeren Heuhütte. Dort konnte der Dengelstock jeweils vor Gebrauch verkeilt werden. In den meisten Dengelsteinen ist eine Mulde für Wasser. Ist diese Mulde nicht vorhanden, spuckte der Bauer beim Dengeln auf die Sense.
Zum Dengeln wird der Worb (Holzstiel) von der Sense demontiert. Auf dem Dengelstein sitzend, die Sense gleich wie beim Wetzen haltend, liegt die Spitze auf dem rechten Knie. Man fängt am inneren Teil an. Die Schneide liegt flach auf der Ambossbahn und deckt diese zur Hälfte.
Es wird nun ein Schlag neben den anderen gesetzt, wobei die Sense kontinuierlich nach links gezogen wird. Der klirrende Ton kann durch das
Hochdrücken des rechten Knies unterbunden werden. Ist man über der Hälfte, so stützt man die Sense immer etwa auf der Höhe des Ambosses.
Kleine Scharten bis 1 mm können mit dem Dengeln ausgemerzt werden. Tiefere Scharten werden durch Dengeln und Wetzen allmählich ausgeglichen.
Die Erzbergwerke in der Nähe von Oberried
Vom Tiefenbacher Eck und vom Bläßleskopf ziehen sich eisenerzhaltige Schichten zwischen Breiten und Oberried nach Walten und Tiefenbach bis an den Flusslauf der Ostrach.
Anfang des 19. Jahrhunderts wurde bei Tiefenbach und am Tiefenbacher Eck mit Tagebau der erzhaltigen Schichten begonnen. Um 1830 wurde östlich von Unterried ein Bergwerk mit Stollen aufgefahren, um eine erzhaltige Schicht von ca. 1,90 m Stärke und 20 % Erzgehalt abzubauen. Dieses Bergwerk,die "Friedrichsgrube", liegt 200 Höhenmeter tiefer als Oberried, etwa 1,5 Stunden entfernt. In der Friedrichsgrube wurden ca. 3000 Tonnen erzhaltiges Gestein abgebaut und in den Hochöfen des Hüttenwerks in Sonthofen verhüttet.
Ein weiteres Bergwerk, die "Xaveriusgrube" am Tiefenbacher Eck-Bildstöckl wurde ebenfalls ca. 1830 aufgefahren und ca. 2000 Tonnen erzhaltiges Gestein mit einem Erzgehalt von 30 % abgebaut. Für dieses Erzgestein war der Transportweg nach Sonthofen zu den Hochöfen sehr weit und beschwerlich. Der Weg nach Oberried zu diesem Bergwerk ist aber nur etwa 40 Minuten.
Es kann angenommen werden, dass junge Männer aus Oberried indiesen Bergwerken als "Knappen" oder als "Erzzieher" für den Steintransport gearbeitet haben.
Etwas weiter entfernt gab es noch unterhalb des Bläßleskopfes an der Nordseite, das Bergwerk "Ignatiusgrube" und an der Ostrach bei Tiefenbach, das Bergwerk an den "Fuchslöchern".
Alle erwähnten Bergwerke lagen im Landbereich des Marktes Sonthofen.
Diese Bergwerke sowie das BHS (Bayerische Hütten- und Salzwerke) sowie eine eisenverarbeitende Industrie und Handwerk (Nagelschmieden, Schmieden und Schlosserbetriebe) boten eine der wichtigsten Verdienstmöglichkeiten in und um Sonthofen im 19. Jahrhundert. Ein Drittel der damaligen Bevölkerung lebten von den eisenverarbeitenden Betrieben und Bergwerken.
1858 wurde im Oberallgäu (Grüntenbereich und Sonthofer Landbereich) der Erzabbau eingestellt, weil mit der Eisenbahn billigeres und hochwertigeres Erz ins Allgäu transportiert werden konnte. Die eisenverarbeitende Industrie und Handwerksbetriebe in Sonthofen haben jedoch auch heute noch eine große wirtschaftliche Bedeutung.
Grünland und Forstwirtschaft in Oberried
Die Wiesen und Weiden von Oberried befanden sich im Tal der oberen Starzlach, am Wolfsbichl und im näheren Dorfbereich. Sie umfassten eine Fläche von ca. 15 Hektar und lagen zwischen 980 und 1300 Meter über N. N. Von den im kleinen Walsertal eingewanderten Walsern haben die Oberrieder im 14. Jahrhundert die Grastrocknung auf Heinzen übernommen. Auch gab es im oberen Starzlachtal und um den näheren
Dorfbereich herum Waldflächen. Die ca. 16 Hektar Mischwald wiesen Fichte, Tanne, Erle, Eiche und Ahorn auf.
Bis zu 7 Bergbauernfamilien lebten mit jeweils wenigen Rindern sowie einzelnen Zugtieren (Ochse oder Pferd) in Oberried. Als Kleinvieh wurden Schafe, Ziegen und Hühner gehalten, Haustiere waren ein Hund oder eine Katze, ausserdem wurden Bienen gezüchtet.
Der Ortsteil war schwer zu erreichen. Fahrwege gab es nur von Berghofen bis oberhalb Unterried und bis Breiten sowie im Ortsbereicht von
Oberried. Ein durchgehender Fahrweg wurde erst 1876 gebaut. Für Holz und Heutransporte gab es zwei- und vierrädrige Holzwagen zum ziehen. In Oberried wurde Obst angebaut. Bei jedem Hof standen einige Apfelbäume und vereinzelt Birnen- und Kirschbäume. Diese wurden für die Vorratsbewirtschaftung und für den Obstbrand verwendet.
Im Jahr 2010 wurden zur Erinnerung daran 10 Apfelbäume und einige Kirschbäume von der Agendagruppe und dem Heimatdienst neu gepflanzt.
Ackerbau
"Wo der Kirschbaum noch blüht, kann Ackerbau betrieben werden", so wurde die Höchstgrenze des Ackerbaus festgelegt. Obwohl die durchschnittliche Temperatur in Oberried ca. 1,5 Grad niedriger ist als im Illertal, es jedoch mehr Sonnenstunden hat, gab es ca. 14 Hektar Ackerfläche in Oberried (Gerste, Hafer, Flachs).
Ab ca. dem 18. Jahrhundert fand auch Kartoffelanbau und Tabak für die Selbstversorgung statt. Für die Herstellung von Getreidemehl gab es im Tal der Ostrach 5 Mühlen, in denen auch Holz gesägt werden konnte.
In und um Oberried waren ca. 1,2 Hektar Kräutergarten verteilt, 1/3 der Fläche für Gewürz- und Heilkräuter, 1/3 für Kraut- und Rübenanbau, 1/3 für Gemüse und Blumen.
Die Wasserversorgung wurde über eine Holz-Deichelleitung von einer Quelle oberhalb des Dorfes zu 2 Brunnen vor den Bauernhäusern geführt.
Der Sonthofner Zeichenstein
Der Stein wurde 1995 an einem steilen Wiesenhang zwischen Berghofen und Oberried ausgegraben. Bis 2009 wurden im Oberallgäu und im Kleinen Walsertal in Weidenbereichen weitere 5 Zeichensteine, sog. "Hirtensteine" gefunden.
Hirten haben Zeichen und Buchstaben als Zeitvertreib und als Erinnerung in die Steine eingestemmt. Die Gravierungen des Sonthofer Steines stammen vermutlich aus zwei verschiedenen Perioden. Ein Teil der Gravierungen ist frühneuzeitlich (16. - 17. Jahrhundert).
Ein Zeichen ist das Mühlespiel. Es ist das älteste und bis Ende des 18. Jahrhunderts bekannteste Spiel in Europa und wurde auch von Hirten gespielt. Eine andere Auslegung für eine Mühlegravierung bedeutete das kosmische Modell der "Drei Reiche": Himmel, Erde und Unterwelt. Mühlespiele wurden auf Zeichensteinen im Süd- und Ostalpenraum, sogar in Israel, Griechenland und Skandinavien gefunden. Die polygonalen Zeichen neben dem Spiel könnten Mühlsteine darstellen. Vier teilweise spiegelbildliche und gedreht gestemmte arabische Ziffern sind als aus dem Jahr 1664 zu deuten. Auf dem Stein sind Großbuchstaben CK und an anderer Stelle VH eingestemmt. Wahrscheinlich Namensinitialen aus jüngeren Zeiten (19. Jh.).
Andere nur noch teilweise sichtbare Zeichen und Bohrvertiefungen können derzeit nicht gedeutet werden.
Oberried ist in folgender Tour zu finden:
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Der Zeichenstein
Der Zeichenstein