Das Bild vom edelmütigen Indianer ist ein Mythos
Das gäbe einen mitreissenden Hollywoodfilm: Ohne Skrupel undmit der Kraft seiner militärischen Überlegenheit unterwirft ein skrupelloser Haudegen im Wilden Westen mehrere Indianervölker. Er kennt kein
Erbarmen mit den Menschen, die er unterjocht, plündert ihre Besitztümer und nimmt sich so viele von den Indianern, wie ihm beliebt, zu seinen persönlichen Sklaven. Im Mittelpunkt der Handlung eine zarte
Liebesgeschichte unter den Entrechteten, die versuchen, sich ihres Unterdrückers zu erwehren. Nun, dieser Film wird nicht gedreht werden.
Denn dieser herzlose Ausbeuter ist kein anderer als Häuptling Seattle vom Stamme der Duwamish. Häuptling Seattle, ist das nicht der mit der legendären Rede ?
"Die Idee, daß man Land kaufen könne, ist uns fremd. Wenn man die frische Luft und das Glitzern des Wassers nicht besitzen kann, wie kann man sie dann kaufen ? Jeder Teil dieses Landes ist für mein Volk
heilig....duftende Blumen, das sind unsere Schwestern. Rehe, Pferde, Adler, das sind unsere Brüder....saftige Wiesen, die Wärme eines Ponys - und des Menschen - das alles gehört zur gleichen Familie...
alles ist eins...der Gott der Roten iset auch der Gott der Weissen....diese wunderbare Mutter Erde ...der weisse Mann glaubt, daß ihm die Erde gehört. Aber wie kann ein Mensch seine Mutter besitzen ?"
Diese Öko-Posesie hat mit Häuptling Seattle nichts zu tun. Sie wurde 106 Jahre nach dem Tod Seattles, im Jahre 1972, von A bis Z erfunden, und zwar von dem Texaner Ted Perry, einem umweltbewegten
Drehbuchautor. Ebensowenig gingen die schönen Worte "Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, daß man Geld nicht essen kann" je
einem weissagenden Cree-Indianer über die Lippen.
In den blumigen Worten des Häuptling Seattle finden sich alle Glaubenssätze der ökosozialistischen, politischen und religiösen Korrektheit unserer Zeit: Alles ist eins, wir glauben alle an den gleichen
Gott, ehren "Mutter Erde", die Naturvölker lebten im Einklang mit der Natur, bis herrschsüchtige weisse Eindringlinge das Paradies zerstörten. Kein Wunder, daß diese Worte in das Psalmbuch der Ökologisten
aufgenommen wurden, von Al Gore und auf Parteitagen zitiert und in Prospekten für Windräder nachgedruckt werden.
Das Bild des indigenen Amerikaners, der ein würdevolles Leben im Einklang mit der Natur, im Frieden mit sich und den Nachbarvölkern lebt, ist eine rückwärtsgewandte Utopie und ebenso ein Mythos wie die
Behauptung, die amerikanische Armee habe versucht, die Indianer mit pockenveseuchten Decken auszurotten.
Ethnologen haben die Mär vom "edlen Wilden", vom unverdorbenen Naturmenschen längst begraben. Lange bevor die Weissen Kontakt mit Indianern hatten, hielten diese die Frauen und Kinder eroberter Stämme
als Sklaven. Sie brannten ganze Wälder nieder und trieben Büffelherden über Klippen, um an das Fleisch und die Felle der Tiere zu kommen. Düster Ahnenkulte und rückständige animistische Vorstellungen
beherrschten die Menschen.
Dessen ungeachtet schmückt sich jede esoterische Buchhandlung mit Luxusausgaben der vermeintlichen Rede des guten und gütigen Häuptlings. In Wahrheit war Seattle ein Kriegerfürst, der sich mehrere
Indianervölker unterwarf. Er war ein stolzer Sklavenhalter.
Der Sklavenhandel ist Bestandteil der indianischen Geschichte. Man weiss, daß Indianer schon vor 500 Jahren ihresgleichen als Sklaven gehalten haben. Daran änderte sich durch die Jahrhunderte nichts,
noch im 19. Jahrhundert und 20. Jahrhundert hielten sich nordamerikanische Indianer Sklaven. Die Komantschen, die im 19. Jahrhundert eine machtvolle Nation bildeten, hatten Indianer aus mehreren anderen
Stämmen versklavt (Wie zum Beispiel in dem Buch "Empire of the Summer Moon" von C.S. Gwynne dargelegt wird). Nicht anders als die weissen Amerikaner hielten auch die Indianer schwarze Sklaven. So hatten
etwa die Cherokee im Jahre 1860 2511 schwarze Sklaven. Von zahlreichen Stämmen ist dies dokumentiert, es war Alltag.
Die höhere politische Ethik der amerikanischen Ureinwohner ist ebenso eine Legende wie ihr vermeintliches ökologisches Bewusstsein. Winnetous Ahnen und Erben lebten nicht in einem irdischen Paradies,
einem Garten Eden wie vor dem Sündenfall. Sie waren und sind nicht weniger sünd- und fehlerhaft und erlösungsbedürftig wie alle anderen Erdenbewohner auch.
Artikel mit freundlicher Genehmigung aus dem Magazin "Factum" Autor: Th.Lachenmaier