Kommentare zu den Allgäuer Sprüchen

Andre Leit sind au Leit Hinter m Berg sind au Leit



Die zwoi Sprichwörter gfallet mir sauguet. Wer hot die wohl erfunde ?
Amend in Zeita, wo so a Allgäuar Einöd-Bäuerle no ganz selten in de Fleacke neikomme isch, wo ar meh mit de Viecher als mit de Leit gschwätzt hot, do kinnt s gweah sei, daß die Sprüch rauskomme sind.
Wenn ma lang blos sich seal gweant isch, dann gohts gschwind, daß ma denkt, blos ma seal hett allat reacht ond s gäb blos oi Moinung, nämlich die oige. So wiads bei de Allgäuer dennemole scho öfters gweah sei, daß ma blos sein oigene HOf mit Wald ond Fealder gseah hot ond suscht nix meh.
Dann wiad halt so a Bäurle mole gmerkt hau, daß d Wealt ja doch no größer isch, ond daß es au mole andre Ansichta geabe ka. Ob des Bäurle die andre Ansichta denn verschtande hot, des stoht meh auf am andre Blatt.
A Bitzle Obacht gea bei fremde Leit ond nuie Sacha isch it grad verkehrt. Des steckt au in deane Sprich do dinna.
So sind mir Allgäuer au dann it ganz verschlosse, wenn Fremde drherkommet ond ihran Breazgemaat verzellet. Aber glei alls glaube dond mer dann au it. Ond des isch guet so.
So isches: Andre Leit sind au Leit ond hinter m Berg sind au Leit, do isch alls gschwätzt.



Diese zwei Sprichwörter gefallen mir sehr gut. Ich meine, gerade in der Zeit, in der so ein Allgäuer Einöd-Bauer sehr selten ins Dorf kam und er somit mehr Kontakt zu Tieren als zu Menschen hatte, können die Sprichwörter entstanden sein.
Wenn man lange Zeit nur noch an sich selber gewöhnt ist, ergibt es sich schnell, daß man die eigenen Massstäbe und Vorstellungen verabsolutiert. Man hat ja auch niemanden, der einem widerspricht.
Anhand dieser Sprichwörter kann man davon ausgehen, daß der Allgäuer grundsätzlich sich selber als den Mittelpunkt der Welt ansieht. Eine gewisse Verwandtschaft zu den Chinesen, die auch diese Meinung vertreten, ist hier angedeutet. Die Welt des Allgäuers scheint jedoch sehr klein zu sein: sicherlich nur der eigene Bauernhof, die Wiesen und der dazugehörige Wald.
In einer solchen Umgebung (zu Deutsch: Surrounding) könnten dann diese Sprüche entstanden sein, z. B. wenn der weise, alte Bauer und Herr auf seinem Hof zu einer neuen Erkenntnis kam und diese mahnend aussprach: daß nämlich ausser den hier Anwesenden noch andere Menschen auf dem Erdball existieren und somit diese Mitbewohner auch beachtet werden sollten...und es natürlich sein kann, daß diese Mitmenschen für den Allgäuer fremde Sitten und Gebräuche oder völlig andere Wertvorstellungen haben könnten.
Gleichzeitig ruft der Allgäuer hier zum Verständnis und zur Duldung fremder Menschen auf. Die erste Reaktion auf Fremdes ist sicherlich ein gesundes Misstrauen und erhöhte Vorsicht, die leider manchmal wie Ablehnung aussehen kann.
Diese Vorsicht nicht ganz fallen zu lassen und dennoch für neue Menschen und Situationen sich offen zu halten, ist das Anliegen dieser Sprichwörter.

Die beiden Sprichwörter offenbaren deutlich die Genialität des Allgäuers, indem er nämlich diese Zeilen oder andere, ausschweifende, langen Vorträge, die mitunter Stunden dauern können, auf eine einfache, griffige und tiefgehende Formulierung bringt:
Andere Leit sind au Leit ond hinter m Berg sind au Leit.

Damit ist alles gesagt.

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