Das alte Grenzerhäuschen von Hochsträß
Das ehemalige Grenzerhäuschen befindet sich auf dem Höhenzug von Hochsträß, südwestlich von Oberreute, am Ende des Wildrosenmooses. Gut erreichbar ist es von Oberreute her über das Bruckenmoos,
von Sulzberg her oder von Hinterscheinhöf aus. Auch von der anderen Seite aus, von Eibele unten, kann man es erreichen.
Hier, an dem Häuschen habe ich schon oft Rast gemacht und diese schöne Stimmung genossen. Vom ersten Mal an hat mich dieser Ort fasziniert.
Die Zeiten, in denen die deutsch-österreichische Grenze am Hochsträß kontrolliert wurde, liegen noch gar nicht so lange zurück. Bis 1995 gingen
Zöllner hier regelmässig Streife, im den Warenschmuggel und illegalen Personenverkehr zu unterbinden. Auf österreichischer Seite war die Zollwache
mit ihren Zollwachbeamten für die Grenzkontrollen zuständig, auf deutscher Seite war es der Zoll mit seinen Zöllnern. In Sulzberg waren 10 bis 15
Beamte im Zollhaus stationiert. Sie kontrollierten die elf Kilometer lange Grenze zwischen Aach und Thal.
Auf deutscher Seite wurden die Zöllner der Grenzaufsichtsstelle (GASt) Hinterschweinhöf von der motorisierten GASt (mot) Weiler bei ihren Streifengängen
unterstützt.
Bei den Streifengängen gab es keinerlei Absprachen zwischen den deutschen und österreichischen Zöllnern. Offiziell durften sie nicht einmal einen Schritt
über die Staatsgrenze machen. Sie mussten sich an minutiös ausgearbeitete Dienstpläne halten. Darin war genau festgelegt, zu welchem Zeitpunkt ein
Beobachtungspunkt erreicht sein musste - und wie lange sich der Zöllner an diesem Punkt aufzuhalten hatte.
Entlang der Grenze gab es an strategisch günstigen Punkten Unterstände wie das Grenzerhäuschen am Hochsträß. Von hier konnten sich die Zöllner einen
guten Überblick über das Gelände verschaffen - und sich bei schlechtem Wetter auch einmal aufwärmen.
Bis heute ist die Grenze zwischen Deutschland und Österreich durch Grenzsteine markiert. Jeder Stein ist mit einer fortlaufenden Nummer, dem
Buchstaben B auf der Bayern zugewandten Seite und dem Buchstaben V auf der Vorarlberg zugewandten Seite versehen. Die Zahl 1844 steht für das Jahr,
in dem der Grenzvertrag abgeschlossen wurde.
Nach dem 2. Weltkrieg wurde der jährliche, kirchliche Bittgang von Oberreute nach Sulzberg von einigen Frauen dazu genutzt, um auf dem Rückweg kaffee
aus Österreich nach Deutschland zu schmuggeln. Man erzählt sich, dass Frauen aus anderen Orten eigens am Bittgang teilnahmen, um ebenfalls an das begehrte
Kaffeepulver zu kommen. Der Kaffee wurde von den Frauen am Körper versteckt. Anfangs hatten die Zöllner deshalb nur wenige Möglichkeiten, den Schmuggel zu
unterbinden. Erst als auf der Zollwache Frauen eingestellt wurden, war eine Leibesvisitation möglich - und die Zeiten des Kaffeeschmuggels während des
kirchlichen Bittgangs gingen zu Ende.
Die Schmuggler waren früher oft arme Leute, die sich durch die Schmugglerei einen kleinen Nebenverdienst sicherten. In größerem Massstab wurde vor dem
2. Weltkrieg allerdings von einigen Bauern und deren Knechten Salz aus Oberreute nach Sulzberg geschmuggelt. Über verschlungene Tobelpfade wurde das
begehrte Salz gleich sackweise über die Grenze getragen. Die Schmuggler warteten dabei ab, bis die deutschen Zöllner ihren Kontrollgang beendet
hatten. Erst dann zogen sie los. Jetzt mussten sie nur noch aufpassen, dass sie auf österreichischer Seite nicht erwischt wurden. Viele dieser
Schmuggler fühlten sich übrigends nicht als Gesetzesbrecher.
Schmuggler und Zöllner haben natürlich immere wieder versucht, sich gegenseitig auszutricksen. So soll es beispielsweise Schmuggler gegeben haben,
die Ameisen oder sogar Hornissen in ihrem Rucksack versteckt hatten. Was dann los war, als die Schmuggler ihren Rucksack auf der Zollwache ausleeren
mussten, kann man sich vorstellen.
Andererseits sollen Zöllner Butter schmuggelnde Frauen überführt haben, in dem sie die Damen einfach an den Kachelofen gesetzt haben. Wenn die
Kleider dann vom schmelzenden Butter nass wurden, war alles klar...
Es soll auch zwei Bauernhöfe gegeben haben, einen auf der deutschen und einen auf der österreichischen Seite, die immer dann besonders viele Ferkel
in ihren Ställen hatten, wenn der Ferkelpreis auf ihrer Seite der Grenze gerade hoch war.
Einst wollten zwei Schmuggler Pferde von Sulzberg nach Oberreute schmuggeln. Wie abgemacht, brachte der Erste die Pferde über die Grenze und band sie
auf deutscher Seite an einem Baum fest. Doch als der Zweite die geschmuggelten Pferde am vereinbarten Platz abholen wollte, waren diese verschwunden.
Ein Unbekannter hatte den Schmugglern ihre Pferde geklaut.
In den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts war eine spezielle Farbe aus Deutschland in Österreich sehr begehrt. Sie wurde benutzt, um die in den
Käsereien verwendeten Farbstempel einzufärben. Ein Zöllner kam dem Farbschmuggel auf die Schliche, als er einen Mann anhielt, der gerade einen Heuwagen
mit Streue über die Grenze bringen wollte. Als der Zöllner mit einer Lanze ins Heu stieß, spürte er einen Widerstand. Der Mann musste die ganze
Fuhre abladen. Schliesslich kamen mehrere Farbeimer zum Vorschein. Es stellte sich heraus, dass der Mann gewerblich schmuggelte. Er wanderte dafür
ein Jahr lang hinter Gitter.
Eine Zeitungsnotiz vom 26. Juni 1919 erinnert daran, dass es beim Aufeinandertreffen von Zöllnern und Schmugglern in Sulzberg manchmal auch um Leben
und Tod ging: In der Nacht auf 25. Juni, etwa um 1 Uhr, wurde der Finanzwachoberaufseher Johann Eichler in der Parzelle Simlisgschwend von einem
Schwärzer (Schmuggler) schwer verwundet. Der Schuss traf den Körper links vom rechten Schultereblatt, durchquerte den Leib und den rechten Oberarm
unter dem Achselgelenk und traf auf seinem Weg die Lunge. Der Verwundete wurde gestern auf einer Tragbahre auf die Station gebracht, sein Zustand
ist heute befriedigent. Es waren zwei Schwärzer beisammen. Hoffentlich wird dieser Unhold auch vom Arm der irdischen Gerechtigkeit erreicht, die
göttliche findet ihn auf alle Fälle.
Vor dem 2. Weltkrieg schmuggelte eine junge Frau Eier aus Sulzberg nach Oberreute. Dabei wurde sie von einem Zöllner beobachtet. Als sie den Grenzbeamten
bemerkte, warf sie die Eier in einen Graben und zertrampelte sie mit ihren Füßen. Sie wollte verhindern, dass der Zöllner zählen konnte, wie viele
Eier sie bei sich hatte. Genutzt hatte ihr das nicht viel: Der Zöllner nahm sie mit ins Zollamt in Hinterschweinhöf. Anschliessend wurde sie einen Tag lang
im Gefängnis von Weiler eingesperrt.
Auszüge aus dem §56 der österreichischen Zollwachvorschrift von 1928:
1. Gemäß § 20 darf sich die Zollwache in Ausübung ihres Dienstes der zu ihrer vorschriftsmässigen Ausrüstung gehörigen Waffen bedienen, um einen tätlichen
oder unmittelbar drohenden Angriff abzuwehren und einen ihren Anordnungen entgegengesetzten Widerstand zu brechen...
4. Blosse Beleidigungen berechtigen nicht zum Waffengebrauche
7. Im Grenzbezirke ist der Gebrauch der Schusswaffe, soweit dies ohne Gefährdung unbeteiligter Personen möglich ist, gegen jede Person statthaft,
welche auf den wenigstens zweimaligen Anruf "Halt, Zollwache!" nicht stehenbleibt, vorausgesetzt, dass die Zollwache überzeugt ist, dass ihr Ruf
wirklich gehört und verstanden wurde. Dass der Ruf gehört und verstanden wurde, kann namentlich dann angenommen werden, wenn die angerufenen Personen
die Flucht ergreifen.
Das Grenzerhäuschen ist in folgenden Touren zu finden: