Santa Giulia (11.08.2022)

Ausgangspunkt: Osteno

Charakter: Radtour, 13 km, 250 Hm

Tourenverlauf:
In Osteno bei der Kirche vorbei, hinauf nach San Lucio, dort links über die
alte Brücke vor zur Hauptstrasse und dann links hinab nach Claino. Gleich am
Anfang wieder über eine Brücke (eine verborgene, enge, sehr tiefe Schlucht hier),
und dann rechts von der Hauptstrasse weg, ins Dorf hinein.

Claino ist noch ein kaum touristisch erschlossenes Dorf, das macht den Ort
besonders reizvoll. Inzwischen gibt es künstlerische Aktivitäten, um den Ort zu
verschönern. Die Kirche wird gerade renoviert und an vielen Stellen die Häuser
dazu. Dann dazwischen immer wieder halb verfallene, alte Häuser. An vielen Ge-
bäuden wurden Bilder hingemalt mit dörflichen, ländlichen Themen. Hier durch die
Gassen zu schlendern, ist eine kleine Entdeckungstour.

Ich fahre an der Bar vorbei, dann rechts in die Gassen hinein, vorbei an der Kirche
und bald darauf links sehr steil hinauf. Der Ort ist teilweise am steilen Berghang
gebaut. Ein Stück weit oben befindet sich das Artelier einer Malerin. Meist hat sie
Bilder vor ihrem Haus ausgestellt. Die Ausstellung ist für jeden frei zugänglich.
Sie malt gerne in bunten Farben und eher fantastische Themen, was mir nicht so
sehr gefällt. Dennoch habe ich bei ihr ein wunderschönes kleines Bild von der Kapelle
Santa Giulia gefunden, das ich dann gleich gekauft habe.

Bald verlasse ich das Dorf und es geht weiter am Berghang entlang, vorbei an üppigen
typisch südländischen Gärten. Man kann von hier auf den See blicken.
Dann neigt sich die Strasse und geht über in einen groben tessiner Weg. Ein ganzes
Stück fahre ich jetzt leicht bergab und in den Bergwald hinein. Dann wird der Weg
wieder eben und schlängelt sich am Hang entlang, vorbei an Einschnitten, kleinen
Bächen, verfallenen Hütten. Teilweise fällt das Gelände links recht steil ab, man
sollte also nicht umkippen mit dem Rad.

Auf Höhe von Rescia geht es dann kurz steil hinauf und dann oberhalb des großen
Wasserfalls vorbei. Man kann die fast senkrechten Felswände sehen, wo sich das Wasser
in die Tiefe stürzt. Zu den weit unten ausgewaschenen Wasserbecken gibt es leider
keinen Zugang. Eine sehr wilde Gegend hier.
Eine kleine Brücke quert den Bach, gerade oberhalb des Wasserfalls, dann geht ein neu
gepflasterter Weg steil hinauf und nach einer Kehre komme ich bei der Kapelle an.

Ein schöner Blick auf den See und tiefe Stille erwarten mich hier oben. Es ist ein Platz
voller Erinnerungen für mich. Schon als Kind bin ich mit meinem Vater zur Kapelle ge-
wandert und mit unseren Kindern haben wir dann auch oft die Kapelle besucht, haben
dort oben Kaufladen mit ihnen gespielt...das waren schöne Zeiten.
Jetzt stehe ich alleine hier oben, erinnere mich und geniesse den Blick auf den See.
Die Kapelle ist für mich persönlich einer der besonderen tessiner Plätze.

Inzwischen gibt es sogar eine Infotafel an der Kirche:
Ein halbstündiger Spaziergang durch den Mischwald, mit wunderschöner Aussicht auf den Ceresio-See
bringt uns auf eine markante Anhöhe. Hier wurde seinerzeit eine Kirche zu Ehren der Heiligen Julia
errichtet. Für einige ein besonderes Heiligtum, für andere ein Gebetshaus, für die Bewohner aus dem
Dorf Claino ganz einfach: Santa Giulia. Nicht etwa aus Mangel an Respekt, mehr aus tiefer Verbundenheit,
Vertrautheit und Hingebung.

Die Jungfrau Giulia starb eines Märtyertodes auf Korsika und wird bereits im 4. Jahrhundert im ersten
liturgischen Kalender von Hyronimus erwähnt.

Über die Entstehung der Kirche gibt es mehrere Überlieferungen:
als Refugium für die Pestüberlebenden aus dem Dorf Claino oder
die Kirche sollte auch als Lazarett im Pestjahr 1600 gedient haben oder
andere Quellen sprechen hier von einem Zufluchtsort für die aus Brescia
stammenden Holzarbeiter und Köhler.

Fest steht, dass die Kirche sehr alt ist, sie stammt spätestens aus dem 12. Jahrhundert.
Die für diese Zeit typischen zweibögigen Fenster im Turm lassen daran keinen Zweifel. Grössere Umbauten
fanden an der Kirche am Anfang des 17. Jahrhunderts statt.
Insgesamt ist der Kirchenbau von aussen - mit Ausnahme des zum See orientierten Eingangsportals - sehr
schlicht, fast karg; dies entsprach genau dem damaligen Zeitgeist: von aussen wenig aufwändig, dafür aber
eine reiche Innenausstattung. Der imposante Glockenturm bekam in der neueren Zeit einen Anbau, in dem sich
die Sakristei und noch eine kleine Küche befinden.

Im einzigen Kirchenschiff sind einige, in der Vergangenheit mehrfach restaurierten Freskenbilder mit Motiven
aus dem Leben der Hl. Giulia und einige Heiligenstatuen (S.Ambrogio, S.Gerolamo,S.Giovanni Battista), die
alle dem Bildhauer Francesco Prestinari zugeschrieben werden.
Drei große Altarbilder, die aus der gleichen Epoche stammen, und den Jesus mit der Hl. Giulia und dem Hl.
Vincenzo zu Füßen, und Momente aus dem Leben der Märtyerin Giulia darstellen, fehlen. Sie werden wahrschein-
lich bei privaten Sammlern zu finden sein.

Jedes Jahr, am 22. Mai wird hier eine Messe zelebriert. Die ganze Dorfbevölkerung verbringt dann diesen Tag am
See und in den angrenzenden Wäldern verstreut. Zusammen mit angereisten Verwandten und Freunden wird hier ge-
feiert, aus dem Rucksack gegessen und gespielt. Für diesen einen Tag wird die festlich-religiöse Vergangenheit
des Ortes wiederbelebt.

Die Kapelle ist auch in folgenden Touren zu finden:

Zur S.Giulia-Kapelle Santa Giulia2 Santa Giulia und weiter



Osteno





An der Kirche vorbei







Ausblick von San Lucio

Ausblick von San Lucio

Claino

Claino

In die Gassen von Claino













Oberhalb von Claino





Tessiner Weg

Seeblick unterwegs



Hütten im Wald, diese wird gerade renoviert



Die letzten Meter vor dem Ziel

Bei der Kapelle











Auf dem Rückweg







Kunst in Claino